Der Aachener Paartherapeut Volker van den Boom über Partnersuche und Beziehungen im Alter.

Hamburger Abendblatt:

Warum ist ein hohes Alter heute kein Hindernis mehr für eine neue Partnerbeziehung?

Volker van den Boom:

Was lange ein Tabu war, ist heute möglich. In den vergangenen 15 bis 20 Jahren ist die Toleranz in der Gesellschaft gestiegen. Es wird gebilligt, dass auch ältere Menschen ein Recht auf eine neue Partnerschaft haben. Nach dem Tod eines Lebenspartners zum Beispiel stirbt mit diesem ja nicht das Verlangen nach Gemeinsamkeit und Zärtlichkeit.

Wie findet man im Alter einen geeigneten Partner?

Van den Boom:

Mein Rat ist für alle Altersgruppen, dass es keinen Sinn macht, gezielt zu suchen. Man muss offen und flexibel sein. Dann kommt die neue Bekanntschaft oder sogar der neue Partner wie von selber. Die Generation der jetzt über 70-Jährigen nutzt das Internet nicht unbedingt zur Kontaktaufnahme. Also rate ich, je nach körperlicher Verfassung und Können, sich Gruppen anzuschließen. Es kann der Kegelklub oder der Seniorensport sein, der Theater- oder Kulturkreis - es gibt unzählige Möglichkeiten, um sich in Gesellschaft zu begeben. Und hier lernt man Gleichgesinnte kennen.

Was ist wichtig, wenn man sich dann in Gesellschaft begibt?

Van den Boom:

Was ich den Männern immer rate, ist, dass sie darauf achten sollen, gepflegt zu sein. Oft lassen sich Männer nach dem Tod der Frau gehen, achten nicht auf Körperpflege und ansprechende Kleidung. Eine gute Körperhygiene ist enorm wichtig. Und wenn etwas Geld da ist, lohnt es sich sogar, sich einer Stilberatung zu unterziehen. Älteren Frauen rate ich zu bedenken, dass Männer in diesem Alter noch das klassische Rollenkonzept leben, weil sie es auch anders nicht kennen. Der Mann will führen, will versorgen und bestimmen. Eine Frau, die älter ist und Single, muss damit rechnen, ihre im Laufe der Jahre erworbene Eigenständigkeit etwas zurückzuschrauben.

Was halten Sie davon, wenn ältere Paare schnell zusammenziehen?

Van den Boom:

Ehrlich gesagt halte ich davon nichts. Die Kompromissbereitschaft, zwei gewachsene Haushalte so zusammenzulegen, dass jeder zufrieden ist, wird schon ab einem Alter von 50 Jahren sehr schwierig. Beide müssten enorm auf einer Wellenlänge liegen, um sofort miteinander zu harmonisieren. Ich rate da eher zu getrennten Wohnungen in den ersten Beziehungsjahren. Dann kann man immer noch zusammenziehen.

Muss man auf Empfindlichkeiten erwachsener Kinder Rücksicht nehmen?

Van den Boom:

Nein, das muss man nicht! Man muss ganz klar Grenzen setzen: "Stopp, bis hierher und nicht weiter!" Kinder haben nicht das Anrecht, sich in das Leben ihrer Eltern einzumischen. Man kann dies freundlich, aber entschieden kommunizieren. Und man kann auch sagen, dass es schön wäre, wenn Sympathie zwischen dem neuen Partner und den Kindern entstehen würde.

Kommt es trotzdem zu einem Bruch, sollten Eltern nach einer gewissen Zeit wieder auf die Kinder zugehen und den Kontakt suchen. Sie sollten versuchen, den Kindern zu erklären, dass dies kein "Verrat" an dem verstorbenen oder getrennten Partner ist.