Am Mittwoch gibt es im US-Wahlkampf das erste TV-Duell zwischen Obama und Romney

Am 6. November entscheiden die Amerikaner wieder, wer sie in den kommenden vier Jahren regieren soll. Am Mittwoch treffen sich Amtsinhaber Barack Obama und Herausforderer Mitt Romney zum ersten von drei TV-Duellen. Amerika schaut gespannt zu - und der Rest der Welt auch. Obama liegt in den Umfragen klar vorn. Und so wird der Zweikampf vor laufenden Kameras von den US-Medien schon zur letzten Chance für Romney stilisiert. Der gilt als alter Debatten-Haudegen, während der Präsident zu langatmig-professoralen Erklärungen neigt.

Doch die Redeschlachten im Fernsehen werden nicht allein die Entscheidung bringen. Wahlkampfzeit ist auch Zeit für Bilanzen: Und die sieht gemessen an den geradezu messianischen Erwartungen, mit denen Obama befrachtet wurde, für den Amtsinhaber nicht gerade rosig aus. Zwar hat er die Truppen aus dem Irak abgezogen und das Land für befriedet erklärt. Was sichtlich nicht stimmt. Ähnliches wird bald in Afghanistan zu beobachten sein. Das umstrittene Gefangenenlager Guantánamo ist entgegen seiner Ankündigung noch immer in Betrieb. Immerhin wurde Terror-Chef Osama bin Laden ausgeschaltet.

Entschieden wird aber jede US-Wahl in der Heimat - mit Wirtschaftsdaten und Arbeitslosenzahlen. Ronald Reagan fasste das 1980 im Duell gegen Jimmy Carter in eine einfache Frage an das Publikum: "Sind Sie heute besser dran als vor vier Jahren?" Romney hat auf diesem Feld den in Amerika nicht zu unterschätzenden Vorteil, als erfolgreicher Unternehmer zu gelten, der auch als Präsident Aufschwung und Arbeitsplätze generieren könnte. Obama hat in seiner Amtszeit außer seiner umstrittenen Gesundheitsreform wenig aufzuweisen. Wegen dieser Zwangsversicherung gilt er vielen seiner Landsleute gar als Kryptokommunist. Die Schulden sind höher als im Euro-Raum. Die Konjunktur lahmt.

Der Zweikampf Obama - Romney ist also längst nicht entschieden. Auch wenn vieles - unter anderem der Amtsbonus und die Neigung vieler Wähler, einem Präsidenten eine zweite Chance zu geben - für Obama sprechen mag. Diese zweite Regierungsphase dürfte allerdings von weniger Illusionen und Hoffnungen begleitet sein. Die erste zumindest hat gezeigt, dass Amerika seine politischen Traditionen nicht so einfach ändert, dass auch ein noch so begabter und sympathischer Politiker keine Wunder vollbringen kann, sondern sich an den Realitäten orientieren muss.

Amerika habe ein Einparteiensystem mit zwei rechten Flügeln, befand einst der kürzlich gestorbene US-amerikanische Schriftsteller, Schauspieler und Politiker Gore Vidal. Er kannte seine Heimat und deren politische Verhältnisse gut und aus nächster Nähe. Wir Europäer sind allzu leicht geneigt, dem Spötter aus unserer Perspektive uneingeschränkt zuzustimmen. Und verkennen dabei, dass die Wirklichkeit komplexer ist, als sie ein Bonmot beschreiben könnte - und dass es gänzlich unterschiedliche politische und gesellschaftliche Traditionen diesseits und jenseits des Atlantiks gibt. Unser heimisches Rechts-links-Schema ist auf die USA nicht einfach übertragbar. Entscheidend ist und bleibt, wie die Amerikaner ihre Politiker sehen. Und bisher hat eine große Mehrheit wenig Verlangen nach europäischen Sozialstaatssegnungen entwickelt, sondern setzt nach wie vor auf die Kraft und Eigenverantwortung des freien Bürgers. Einen ausreichend großen linken Flügel in der Gesellschaft, der wahlentscheidend sein könnte, gibt es nicht. Vielen in Europa mag Obama im Weißen Haus lieber sein, weil er zumindest den großen Wandel in Amerika versprochen, wenn auch bisher nicht gehalten hat. Romney ist aber möglicherweise der ehrlichere Politiker. Auch wenn uns manche seiner Ansichten befremden.