Die SPD-Troika und ihre Kandidatenkür: Souverän sieht anders aus

So ehrenwert und angemessen Peer Steinbrück als Kanzlerkandidat ist, so peinlich war der Weg, der die SPD am Ende zu ihm geführt hat. Ungeplant fiel die Verkündung auf den gestrigen Freitag, als Ergebnis einer Reihe von Zufällen, frei von jeglicher Strategie und Regie. Ausgerechnet an dem Tag, an dem die Sozialdemokratie ihre wichtigste Personalentscheidung des Jahres verkündet, tritt der ehemalige Vorsitzende und am längsten amtierende Ministerpräsident zurück. Beck weg, Steinbrück da - was für (k)ein Timing.

Und die Troika der SPD, eben noch entschlossen, den internen Wettbewerb der Kandidaten mindestens bis Jahresende, besser noch bis nach der Landtagswahl in Niedersachsen durchzuziehen? Aufgelöst, innerhalb weniger Tage, getrieben von externer Kritik. Auf einmal ist die K-Frage nicht entschieden, weil sich Peer Steinbrück durchgesetzt hätte, sondern weil seine beiden Konkurrenten verzichten. Die Herausforderung Angela Merkels beginnt nicht mit einem Sieger Steinbrück, sondern mit den Rückziehern von Frank-Walter Steinmeier und Sigmar Gabriel. Souveränität sieht anders aus, Professionalität auch. Beides braucht die SPD aber, wenn sie im verbleibenden Jahr bis zur Bundestagswahl ernsthaft noch eine Gefahr für die CDU und ihre unschlagbar wirkende Kanzlerin werden will. Angela Merkel wird das Durcheinander des politischen Gegners, dieses seltsame Durcheinander in einer so entscheidenden Frage, mit Genugtuung registriert haben. So etwas wäre ihr und mit ihr nie passiert, und so etwas schwächt die geringen Erfolgsaussichten des Kandidaten gleich zu Beginn.

Dabei ist die Wahl in der SPD sowieso auf den schwierigsten der großen drei gefallen. Gabriel hätte in der Partei einen großen Rückhalt gehabt, Steinmeier genießt viele Sympathien in der Bevölkerung. Steinbrück hat sowohl das eine als auch das andere nur zum Teil. Er wird weder für die SPD noch für den Wähler ein bequemer Kandidat sein, weil ja genau das seine Stärke ist. Klare, nicht selten schneidende Worte zu finden, sehr unterhaltsam und manchmal böse zu sein, immer klug (zu klug?), aber nie jedermanns Liebling. Ein junger Helmut Schmidt, sagen die, die ihn mögen. Aber ohne dessen Aura, sagen die, die gern einen anderen als Kanzlerkandidaten gesehen hätten.

Auf jeden Fall ist Steinbrück einer, der Angela Merkel auf Augenhöhe begegnen kann, ihr rhetorisch mindestens ebenbürtig ist. Genau das wird die Kanzlerin jedoch nicht schrecken, sondern zusätzlich reizen. Merkel hat wenig übrig für Diskussionen und Personen, die sie intellektuell unterfordern. Sie mag das Duell unter Gleichen, weil sie weiß, dass sie darin besonders stark ist. Zu stark für Steinbrück? Dessen großes Feld ist die Finanz- und Euro-Krise, und damit ausgerechnet der Bereich, in dem die Kanzlerin derzeit glänzt ...

Merkels Schwäche, so es sie denn überhaupt gibt, ist dagegen auch jene Steinbrücks. Beide sind keine Politiker, denen die Sympathien der Menschen zufliegen, dem SPD-Kandidaten noch deutlich weniger als der Kanzlerin. Sie müssen und wollen überzeugen, statt begeistern, sie wollen nicht die beliebtesten, sondern die erfolgreichsten und effektivsten Politiker sein. Das sind ganz andere Voraussetzungen als etwa in den Duellen von Schröder/Kohl oder Schröder/Merkel, und aus gesamtstaatlicher Sicht nicht die schlechtesten: Denn bei der Bundestagswahl wird es vor allem um Sachthemen gehen, nicht um Personen.

Auf dem Weg dorthin hat die SPD ihre Ausgangsposition mit dem gestrigen Tag nicht verbessert. Denn Steinbrück wird sich nicht nur viel länger als gedacht in der neuen Rolle beweisen müssen. Die Wahl in Niedersachsen Anfang 2013 wird zudem als eine Vorabstimmung über seine Kanzlerkandidatur interpretiert werden. Genau das hatte die SPD-Spitze zu Recht verhindern wollen ...