Neustadt. Abenteuerlich hohe Spritpreise - und das seit einer gefühlten Ewigkeit. Da kam die Aktion, die im Radio angeboten wurde, etlichen Autofahrern gerade recht. Endlich mal wieder halbwegs günstig tanken! Der Liter kaum teurer als ein Euro - im Nu hatte sich vor den angepriesenen Benzinsäulen eine kaum noch beherrschbare Autoschlange gebildet. Die Polizei wurde aktiv, damit alles in geordneten Bahnen verlaufen sollte und ganz konkret in der richtigen Spur. Doch mit dem Andrang und der zunehmenden Wartezeit kam bei manchem zur Sparlaune auch der Frust.

Richtig schlecht hat es dabei ein Hamburger getroffen, der nicht nur kein Benzin zum Schnäppchenpreis bekam - sondern auch ein Strafverfahren an den Hals. Mohammed A. (Name geändert) wirkt nicht wie einer, der schnell aus der Haut fährt. In aufrechter Haltung sitzt er auf der Anklagebank, ohne hektische Gesten, die Stimme unaufgeregt, das Outfit adrett. Doch am Tag der Tankaktion Anfang November vergangenen Jahres soll er ausgerastet sein und aus Wut über eine angebliche Falschbehandlung seitens der Polizei Gas gegeben und mit seiner stürmischen Anfahraktion einen Beamten gefährdet haben. Dieser machte laut Anklage einen Satz zur Seite, um nicht von dem Wagen erfasst zu werden. Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr wird dem 29-Jährigen vorgeworfen. Das Amtsgericht hatte Mohammed A. deshalb bereits zu einer sechsmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt und ihm zudem für anderthalb Jahre den Führerschein entzogen. In der Berufungsverhandlung vor dem Landgericht hofft der Diplomingenieur auf ein angenehmeres Ergebnis.

"Ich hatte von der Benzinaktion im Radio gehört und wollte auch günstig tanken", erzählt der Angeklagte bedächtig. Von den drei Fahrbahnen Richtung Innenstadt sei damals die rechte von der Polizei mit Kegeln abgesperrt und so zur Wartezone umfunktioniert worden. Als er sich in die Autoschlange einreihte, "war die schon etwa anderthalb Kilometer lang. Ich stand am Ende und damit auf der nächsten großen Kreuzung. Ein Polizeibeamter forderte mich auf, diese freizumachen und mich später wieder einzuordnen", schildert der Angeklagte seine Erlebnisse. Weiter vorn habe ein zweiter Polizist ihn gefragt, welches Ziel er habe.

Nach seiner Antwort, er wolle "auf die Auffahrt", habe der ihn wohl missverstanden und durchgewunken. Also habe er sich auf der mittleren Spur eingereiht und versucht, sich nunmehr in die rechte Fahrbahn einzufädeln, das ersehnte billige Benzin nun fast greifbar nah. Das wurde indes als rüdes Vordrängeln interpretiert. Er blockiere den Verkehr und müsse sofort weiterfahren, habe der Beamte nunmehr gefordert, erinnert sich der 29-Jährige. "Ich war ein bisschen verärgert, denn ich stand zu der Zeit schon rund eine Dreiviertelstunde in der Warteschlange. Also bin ich zügig weitergefahren und habe wohl versehentlich einen Kegel überfahren." Davon, dass er dabei einen Polizisten in Gefahr gebracht haben soll, habe er nichts mitbekommen. "Ich habe keinen Menschen auf der Spur gesehen und wollte niemanden gefährden", betont Mohammed A.

Doch der betroffene Beamte hat die Situation als richtig brenzlig empfunden. "Ich habe ein Hütchen genau vor der Tankstelle platziert", erzählt der 57-Jährige. "Es gab dann Schwierigkeiten mit einem Fahrer, der versuchte, seitlich einzuscheren, und der sich nicht hinten angestellt hatte." Als der Mann daraufhin aufgefordert wurde wegzufahren, sei er "mit quietschenden Reifen losgefahren. Ich sprang zur Seite, weil mir mein Hütchen um die Ohren flog", formuliert der Zeuge. Er habe "unmittelbar an dem Hütchen gestanden", betont er. Richter und Verteidiger bohren nach. Die Aussage wird mit früheren verglichen, der genaue Abstand zum Kegel erörtert, der Schwung, mit dem das Hütchen durch die Luft flog, und etwaige Folgen für den Beamten. Die nunmehr korrigierte neue Version des Zeugen klingt denn auch weniger dramatisch. "Unmittelbar neben dem Hütchen" sei wohl etwas übertrieben gewesen, rudert der Beamte jetzt zurück, und das Hütchen sei lediglich gegen sein Bein geflogen. Außerdem habe er nicht zur Seite "springen" müssen, sondern "es war ein schnelles Zur-Seite-Treten", präzisiert er. Ein anderer Beamter ergänzt: "Ich dachte: Scheiße, der fährt ihn um."

Dem Gericht reichen diese Aussagen für die Verhängung einer Freiheitsstrafe nicht aus. Die Anregung des Verteidigers, wegen eines nun deutlich weniger gravierenden Vorfalls das Verfahren gegen eine Geldbuße einzustellen, wird aufgenommen. Der Führerschein wird Mohammed A. noch in der Verhandlung ausgehändigt. 1000 Euro muss er als Geldauflage zahlen, dann ist das Verfahren für ihn vom Tisch. Der Angeklagte ist erleichtert. Und kann zugleich doch unzufrieden sein: eine Menge Geld ausgegeben und trotzdem kein Benzin. Bei ihm ist die Billigaktion wahrlich nach hinten losgegangen.