Hamburger Verfassungsschutz berät mehr als 350 Unternehmen. Gefahr durch Praktikanten aus Fernost und auf Geschäftsreisen.

Hamburg. Sie hacken sich in fremde Computer ein, kopieren in den Unternehmen geheime Papiere und sind damit für einen jährlichen Schaden in Milliardenhöhe in der deutschen Wirtschaft verantwortlich. Gerade Hamburg mit Firmen wie Blohm + Voss oder Airbus ist ein lohnendes Ziel für Agenten fremder Staaten, die hochsensible Daten etwa zu Rüstungssystemen oder anderen Innovationen ausspähen. Solche Unternehmen unterliegen einem besonderen Geheim- und Sabotageschutz. Aber auch andere Firmen können das Ziel von Ausforschung sein - nicht nur durch Nachrichtendienste, sondern auch durch die Konkurrenz. Das Landesamt für Verfassungsschutz warnt hiervor. "Viele, vor allem kleine und mittelständische Unternehmen, wissen nicht, wie groß die Gefahr sein kann, geschweige denn, wie sie sich schützen können", sagt Manfred Murck, Amtsleiter der Hamburger Behörde. "Doch Auslandsspionage wird auch nach Beendigung des Kalten Krieges von vielen Staaten betrieben. Die größten Dienste, die in Deutschland arbeiten, stammen aus China und Russland. In Zusammenhang mit dem Thema Proliferation, also etwa der Weitergabe von Waffen, haben wir aber zum Beispiel auch einen näheren Blick auf Aktivitäten des Iran."

Das Landesamt für Verfassungsschutz berät inzwischen mehr als 350 Hamburger Firmen, von denen ein Teil aufgrund geheimer Staatsaufträge einen besonderen Geheim- und Sabotageschutz benötigt. Aber auch viele andere Unternehmen seien interessante Objekte fremder Begierde. Namen nennt Murck nicht, aber Produkte. "Für Agenten interessant sind zum Beispiel Firmen, die mit Innovationen auf dem Weltmarkt aktiv sind und deren Preiskalkulationen sowie Marktstrategien, mit denen ausländische Absatzmärkte erschlossen werden sollen", sagt er.

Während Großkonzerne die Gefahr von Angriffen von außen oft erkannt haben und sich besser schützen, fehlt es kleinen und mittelständischen Unternehmen oft an den finanziellen und personellen Ressourcen dafür. Deshalb gibt es beim Hamburger Verfassungsschutz einen Fachbereich, der sich ausschließlich um die Sicherheit der Wirtschaft in der Stadt kümmert. Murck sähe es gerne, wenn sich noch mehr als die 350 Unternehmen, die bereits betreut werden, an die Behörde wenden. Auch deshalb veranstaltet das Amt am 31. Oktober eine Informationsveranstaltung, seinen Wirtschaftsschutztag (siehe Beistück). Schließlich schadet Spionage nicht nur der deutschen Wirtschaft, sondern auch dem Staat.

Ein erster wichtiger Schritt ist es, dass eine Firma beginnt, das eigene Unternehmens-Know-how zu identifizieren und hierfür einen ganzheitlichen Schutzansatz zu entwickeln. "Wir unterstützen hierbei diese Unternehmen", sagt Murck. Entscheidend sei, dass die Führungsspitze und die Mitarbeiter die Gefahren eines Know-how-Verlustes erkennen und gemeinsam verhindern wollen.

"Der Innentäter, also derjenige, der in dem Unternehmen arbeitet oder sich als fremde Person frei bewegen kann, ist mit die größte Bedrohung für Unternehmen", begründet Murck den Aufwand. In den entsprechenden Arbeitsbereichen der vom Geheimschutz betreuten Unternehmen werden dazu eingehende Sicherheitsüberprüfungen durchgeführt. "Das Risiko, Opfer von Know-how-Abfluss durch Fremdpersonal oder eigenes unzufriedenes Personal zu werden, wird von den meisten Firmen unterschätzt", sagt Murck. Er empfiehlt, auch Praktikanten, etwa aus dem Ausland, genauer unter die Lupe zu nehmen. Einzelne Teilnehmer, etwa einer Studentenorganisation aus Asien, könnten sich als Spione erweisen und vertrauliche Daten kopieren.

"Fremde Nachrichtendienste nutzen gezielt Zugänge etwa über Praktikanten oder Delegationen, um an Know-how zu gelangen", sagt Murck. In einem Fall habe sich im Rahmen eines chinesischen Delegationsbesuchs bei einem Automobilzulieferer ein Teilnehmer unter einem Vorwand von der Gruppe entfernt. "Mitarbeiter des Unternehmens spürten ihn dann in der Entwicklungsabteilung auf", sagt Murck. Ohne einen ganzheitlichen Know-how-Schutz können sensible Unterlagen schnell in die falschen Hände gelangen. Der eine oder andere Spionageversuch konnte so bereits im Vorfeld verhindert werden. Manchmal wird auch ein möglicher Terrorist aufgespürt. "Wir führen am Hamburger Flughafen im Rahmen gesetzlicher Bestimmungen Zuverlässigkeitsprüfungen bei den Beschäftigten in sicherheitsrelevanten Bereichen durch." Einmal entdeckten die Ermittler einen beim Verfassungsschutz bekannten Islamisten, der vom Flughafen eingestellt worden war. Ihm kündigte man schließlich, denn die Gefahr, dass er von verfassungsfeindlichen Organisationen geschickt worden war, schien den Verantwortlichen zu groß.

Vor allem bei Reisen von Managern ins Ausland rät Murck zur Vorsicht. "Auf keinen Fall sollte man auf dem eigenen Laptop den gesamten Datenbestand an Geschäftsunterlagen mitnehmen. Besser ist es, auf einem vor einer Geschäftsreise neu aufgesetzten Laptop nur die für den entsprechenden Termin erforderlichen Geschäftsdaten mitzunehmen." Denn das Durchsuchen von Hotelzimmern durch fremde Geheimdienste sei in vielen Ländern völlig normal. "Geräte könnten manipuliert werden, die Bitte eines Geschäftspartners, eine Präsentation vom Laptop des deutschen Managers auf seinen USB-Stick zu kopieren, könnte einen Trojaner zur Folge haben", sagt Murck. Besser sei es, wichtige Daten auf einem Stick stets bei sich zu tragen.

Oft hat es der Verfassungsschutz mit Diebstahl und Einbruch zu tun. "In einem mehrstöckigen Hamburger Firmengebäude drangen einmal Täter nachts ein. Auf den ersten Blick schien es so, dass sie nichts entwendet hätten. Doch dann wurde klar, dass sie die Festplatten der Firmencomputer kopiert hatten", sagt Murck. Und schon waren wieder geheime Unterlagen in die falschen - vermutlich ausländischen - Hände geraten.