Rafael van der Vaart kann einem schon leidtun, und seine Sylvie auch. Denn die muss zu Hause den Frust auffangen, der sich möglicherweise in ihm aufbaut. Der Fußballprofi ist einem riesigen Erwartungsdruck ausgesetzt, und es wäre nicht sonderlich überraschend, wenn er diesem Druck nicht standhalten könnte. Natürlich ist er ein exzellenter Profi mit außergewöhnlichen Fähigkeiten. Aber nun soll er den HSV nicht nur vor einem erstmaligen Abstieg in die Zweite Liga bewahren, sondern am besten auch noch auf einen der vorderen Plätze in der Tabelle hieven, die zur Teilnahme an einem internationalen Wettbewerb berechtigen. So wie über ihn berichtet wird, erkennt man in ihm den "Messias" des Hamburger Fußballs.

"Messias" heißt wörtlich übersetzt "der Gesalbte", und in der Bibel ist damit der Gesalbte Gottes gemeint. Nun, das ist Rafael van der Vaart natürlich nicht, aber auf ihn richten sich Erwartungen, wie man sie nur an einen Messias hat. Er allein soll retten, was zu retten ist: die fußballerische und wirtschaftliche Lage des HSV, das sportliche Image Hamburgs, und am besten soll er auch noch die Klatschspalten der Lokalpresse mit glamourösen Geschichten füllen. Daran kann man eigentlich nur zerbrechen oder, vorsichtiger gesagt, daran muss man scheitern.

Wenn ich von solchen modernen Messias-Erwartungen lese, dann kommen mir sofort biblische Erzählungen in den Sinn. Dort wird von Messias-Erwartungen erzählt und von der Hoffnung des alten Israel auf die Rettung der Welt durch den endzeitlichen Erlöser. Aber sowohl im Alten wie im Neuen Testament verknüpfen sich die Messias-Erwartungen eben nicht allein an eine einzige Person, sondern vielmehr an eine erfüllte Gemeinschaft.

Auch Jesus, der Messias der Christen, ist nicht der allein selig machende Heilsbringer. Er knüpft die Hoffnung auf ein friedliches und gerechtes Leben an eine gelingende Gemeinschaft. Und zwar an eine Gemeinschaft, die von den Begabungen und Fähigkeiten, aber auch von den Fehlern und Mängeln jedes Einzelnen lebt.

Wenn Hamburg und der HSV sich davon nur ein klein wenig abgucken könnten, dann wäre Herrn van der Vaart eine Menge Druck genommen - und die Mannschaft wäre (endlich einmal) der Gewinner.

pastor.brandi@gemeinde-altona-ost.de