Stadtplan-Erbe muss nach Betrug Teil des Kaufpreises für seine Firma Ision erstatten

Neustadt. So schnell kann es gehen: Vor gut einem Monat verließ er das Strafjustizgebäude noch als strahlender Sieger, doch vor der Zivilkammer 27 des Landgerichts musste Stadtplan-Erbe Alexander Falk, 43, jetzt eine herbe Niederlage einstecken. Das Gericht unter Vorsitz von Richterin Stephanie Zöllner entschied gestern: Der einstige Börsenstar muss rund 209 Millionen Euro Schadenersatz an die Firma Energis plc zahlen - das entspricht der Summe, die er vor zwölf Jahren in bar für den betrügerischen Verkauf seines Internetunternehmens Ision an die britische Firma erhalten hatte.

Der Insolvenzverwalter der Energis hatte Falk auf Schadenersatz verklagt, weil er im Jahr 2000 den Wert der Ision durch Bilanzmanipulationen künstlich in die Höhe getrieben und die Firma zu einem überteuerten Preis an Energis verkauft hatte. Falk wurde dafür 2008 zu vier Jahren Haft verurteilt - am Ende eines vier Jahre andauernden Strafprozesses. 2011 kam der 43-Jährige wieder auf freien Fuß.

Völlig unklar ist, ob Falk einen Schadenersatz in dieser Höhe überhaupt leisten kann. Sein Schwiegervater hatte in Aussicht gestellt, bei einem Vergleich einen Teil der Forderungen von Energis begleichen zu wollen. Allerdings scheiterte nach Abendblatt-Informationen eine Einigung schon im Vorfeld, noch bevor die Parteien über Zahlen gesprochen hatten. Sollte die Forderung von Energis tatsächlich rechtskräftig werden, kann das Unternehmen Anspruch auf Falks Vermögen bis zur Pfändungsgrenze erheben.

Danach sieht es gegenwärtig aber nicht aus. Falks Anwälte lassen keinen Zweifel, dass sie den Fall vor die nächste Instanz, das Hanseatische Oberlandesgericht, tragen werden. "Wir werden mit Sicherheit Berufung einlegen", sagte Falks Anwältin Elke Umbeck dem Abendblatt. Es sei doch sehr überraschend, dass der Energis Schadenersatz in dieser Höhe zugesprochen worden sei, "ohne dass Beweise in der Verhandlung erhoben wurden. So wurde nicht festgestellt, ob die Energis tatsächlich einen Vermögensschaden erlitten hat", sagte Umbeck.

Kernstück des Urteils und der Grund für den nach Auffassung des Gerichts berechtigten Anspruch von Energis ist Paragraf 826 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ("sittenwidrige, vorsätzliche Täuschung"). Weil Falk und seine Komplizen die britische Firma 2000 bewusst über den wahren Wert des Unternehmens getäuscht hatten, könne nun die Energis "im Rahmen des Schadenersatzes die Rückabwicklung des Vertrags verlangen", sagte Gerichtssprecher Conrad Müller-Horn. Ursprünglich hatte Energis Falk sogar auf Schadenersatz in Höhe des vollen Kaufpreises von mehr als 763 Millionen Euro verklagt. Der Großteil wurde damals durch den Tausch von Aktien bezahlt, auch diesen Anteil wollte Energis zurück. Doch hier geht die Firma leer aus. Grund: Der Wert der Aktien ist inzwischen auf null gesunken.

Dennoch frohlocken jetzt die Energis-Anwälte. "Der lange Atem unserer Mandantin Energis plc hat sich ausgezahlt", sagt Sebastian Rakob von der Anwaltssozietät Clifford Chance (Frankfurt). "Das Landgericht hat die Einwände der Gegenseite vollständig zurückgewiesen und klargestellt, dass die Geschädigte verlangen kann, so gestellt zu werden, wie sie heute ohne den Abschluss des Kaufvertrags stünde. Es zeigt sich, dass es auch in komplexesten Wirtschaftsstrafverfahren möglich ist, Schadenswiedergutmachung zu erlangen." Rakob hatte das Verfahren von Anfang an federführend begleitet und mit "Arrestanträgen" durchgesetzt, dass 2004 mehr als 30 Millionen Euro von Falks Privatvermögen sowie 50 Millionen Euro der Falk Holding eingefroren wurden. Nach deutscher Rechtsprechung darf ein Straftäter illegal erlangtes Vermögen nicht behalten.

Mitte August urteilte eine Hamburger Wirtschaftsstrafkammer, dass die "arrestierten" Falk-Millionen nicht der Staatskasse und damit der Stadt Hamburg zufallen, sondern die Forderung der geschädigten Energis Vorrang habe. Es war eine Art Etappensieg für Falk - möglicherweise ist das gestrige Urteil auch für die Energis nicht mehr als das. Mehr als 200 Millionen Euro soll Falk nun zahlen. Dass es ihm gelingt, eine derartige Summe aufzubringen, hält Anwalt Rakob indes für unrealistisch und sagt: "Die Parteien haben zwar noch keine Einigung erzielt, das schließt aber eine Einigung nicht aus."