Blankenese. Körpersprache kann so ungeheuer redegewaltig sein. Da ist dieser junge Mann, in dem deutlich etwas brodelt. Die leicht geduckte Haltung, lauernd, wie sprungbereit, dazu eine fast schon manische Unruhe und mahlende Kiefer. Ein menschliches Pulverfass. Und dann ist da diese junge Frau, mit hängenden Schultern, die Bewegungen stockend, zögerlich, unsicher. Der Blick, der starr geradeaus gerichtet ist und in dem die Angst als ständige Begleiterin nistet. Dazu das blasse Gesicht, in dem viele Tränen Spuren hinterlassen haben. Sie waren einmal ein Paar, dieser Mann und diese Frau. Heute wirken sie wie zwei Menschen, die tiefe Gräben trennen. Abgründe, die aus Terror und Ängsten bestehen.

Körperverletzung und Bedrohung seiner früheren Lebensgefährtin wird Andreas K. (Namen geändert) im Prozess vor dem Amtsgericht vorgeworfen. Im vergangenen April soll der 26-Jährige seine damalige Freundin bei einem Streit in ihrer Wohnung mit der Faust ins Gesicht geschlagen haben. Zudem drohte er ihr laut Anklage gut zwei Monate später auf offener Straße: "Ich steche dich ab." Zu den Vorwürfen will der Hamburger keine Stellung nehmen. Mit finsterem Blick mustert der drahtige junge Mann seine Exfreundin, die vorn auf der Kante des Zeugenstuhls Platz genommen hat, gleichsam bereit, in Deckung zu gehen, verschüchtert und nervös. "Damals war es nicht so, dass ich so viel Angst hatte", erzählt Franziska P.

"Damals", das war unter anderem, als zwei Männer an ihrer Wohnungstür klingelten, um 25 Euro Schulden von Andreas K. einzufordern. "Es gab eine Rangelei, sie wollten sich prügeln wegen des Geldes." Sie habe gezittert und geheult. Nachdem die Männer schließlich gegangen seien, habe ihr Freund ihr einen Schlag ins Gesicht versetzt. "Die bedrohten ihn, und ich kriege eins in die Fresse", erzählt die 23-Jährige, von einem Weinkrampf geschüttelt. "Und dabei hatte ich noch nicht einmal etwas falsch gemacht!" Sie habe sich jedoch nicht gewehrt: "Wenn einer vor einem steht, der sowieso nicht leicht zu händeln ist, dann traut man sich nicht viel", erklärt sie ihr passives Verhalten, mehr Schockstarre als Verteidigung. "Ich war eher still, habe mich hingesetzt und wieder geheult."

Auch die Polizei habe sie nach dem Übergriff nicht alarmiert. Das habe erst zwei Tage später ihre Nachbarin getan, nachdem sie beobachtet habe, dass Andreas K. "wie eine angestochene Wildsau aus dem Haus gestürmt" sei und seine Exfreundin bedroht habe. "Ich habe nie die Polizei gerufen, das haben immer andere gemacht", schluchzt Franziska P. So auch beim zweiten angeklagten Vorfall, als sie mit der gemeinsamen kleinen Tochter unterwegs waren und der 26-Jährige sie plötzlich immer heftiger beschimpft habe. Allerdings habe er nicht gedroht, sie abzustechen, wie eine Zeugin es verstanden habe, betont die junge Mutter. "Er sagte, er wolle mich abrammen." Das habe sie als massive Drohung aufgefasst. "Wenn ich da stehe mit dem Kinderwagen, dann habe ich Angst um mein Leben und das meiner Tochter."

Warum sie denn nach dem früheren Übergriff mit dem Angeklagten weiter zusammengelebt habe, fragt der Richter behutsam. "Das weiß ich selber nicht", versetzt die Zeugin. "Ich habe wohl bis zuletzt gehofft, dass die Familie wieder zusammenwächst." Erst Monate später sei endgültig Schluss gewesen, nach einem weiteren Streit und einem massiven Angriff. "Er war aggressiv, würgte mich mit beiden Händen, während ich unsere Tochter auf dem Arm hatte."

Die gewalttätigen Reaktionen scheinen Andreas K. schon länger alles andere als wesensfremd zu sein. Dreimal ist er vorbestraft, zweimal davon wegen Körperverletzung.

Der Staatsanwalt plädiert auf eine Gefängnisstrafe von einem halben Jahr, die angesichts der Vorverurteilungen nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden könne. "Er ist aggressiv, er hat sich nicht im Griff. Ich kann nicht erkennen, dass er sich geändert hat."

Der Amtsrichter erkennt zwar auf die sechs Monate, die er jedoch unter Bedingungen noch zur Bewährung aussetzt. Binnen drei Monaten muss der Angeklagte laut Urteil eine Therapie gegen Männergewalt beginnen. "Sie neigen zu unkontrollierten Handlungen", redet der Richter Andreas K. ins Gewissen. Es sei offensichtlich, dass er aufbrausend und unbeherrscht sei. Doch er habe die Hoffnung, dass der 26-Jährige verstanden habe, "dass dies die letzte Chance für Sie ist. Ich bin überzeugt, wenn Sie keine Hilfe in Anspruch nehmen, steht irgendwann eine Haftstrafe an. Hilfe oder Gefängnis, das ist die Weggabelung, an der Sie stehen." Die Wut, die in Andreas K. brodelt, kann der Mann nun nicht mehr bändigen: Zornig stürmt er aus dem Gerichtssaal und knallt die Tür hinter sich zu.