Die Nachfrage nach Trinkwasser vom Hafentanker ist stark rückläufig. Jetzt könnte das bisherige Arbeitsschiff ein Badeboot werden.

Hamburg. Direkt neben dem großen hölzernen Steuerrad ist ein Messingrohr mit Sprachmuschel installiert, das in den unteren Maschinenraum führt. Schalttafeln und die wenigen Kipphebel daran sind noch grob und wuchtig, mehr Elektrik statt Elektronik. Der Rumpf ist genietet, nicht geschweißt und die Kapitänskajüte mit dem Charme dunkler Hölzer hinter der Brücke wirkt, als sei sie eine Leihgabe aus einem Schifffahrtsmuseum. Und tatsächlich ist das 38 Meter lange Schiff, das seinen Liegeplatz unterhalb der Elbphilharmonie hat, das vermutlich älteste Hafenfahrzeug in Hamburg, das noch seinem ursprünglichen Zweck dient. Ein Wasserboot, 1906 auf der kaiserlichen Werft zu Kiel gebaut, damals noch als Dampfschiff. Doch die Nachfrage im Hafen nach solchen Wassertankern ist in den vergangenen Jahren gesunken, weil die großen Seeschiffe heute meist Trinkwasseraufbereitungsanlagen an Bord haben und weit weniger Frachter sich ihren Trinkwasservorrat liefern lassen. Die "Hadersleben" ist deshalb oft nicht ausgelastet. "Wir suchen daher jetzt nach einer Lösung für das Schiff", sagt Jan Reinecke, 61, Geschäftsführer des Unternehmens Jacobsen & Cons., der die "Hadersleben" gehört. Was aus dem wohl ältesten Arbeitsschiff des Hafens wird, ist noch unklar. Einfach verschrotten, das wäre zu schade, sagt Reinecke. Vielleicht gebe es aber eine Zukunft als Museumsschiff, wenn sich Interessierte finden, sagt er. Oder es gebe auch Überlegungen für völlig andere Nutzungen - etwa als eine Art schwimmende Badeinsel. Die großen Wassertanks im Rumpf würden dann zu Pools umgebaut. "Aber alles ist noch völlig offen", so Reincke, der das Familienunternehmen mit seiner Tochter Jeanine führt.

Noch kommt die "Hadersleben" auch gelegentlich zum Einsatz - wie schon vor mehr als 100 Jahren. Denn die Wasserversorgung der Seeschiffe im Hafen hat eine lange Tradition. Im 19. Jahrhundert betrieben mehrere Familien oft ein großes Ruderboot gemeinsam, mit dem das frische Wasser an Bord geliefert wurde. Mit großen Handpumpen wie bei einer alten Feuerwehrspritze wurde das Wasser an Bord der Frachter gebracht. Auch Jacobsen & Cons. waren seit 1865 zunächst so eine Gemeinschaft, die sich ein Boot teilte. Mehrere Familien lebten davon. Das "Cons." steht dabei für Consorten, also für mehrere Beteiligte. Eine Gesellschaftsform, die typisch für den Hafen war. Auch in den Firmennamen heutiger Quartiersleute findet sich noch oft der Zusatz "& Consorten".

Später kaufte der Urgroßvater von Jan Reinecke immer mehr Anteile der Firma. Das Geschäft mit dem Wasser konzentrierte sich, größere Schiffe wie eben die "Hadersleben" kamen zum Einsatz. Noch bis in die 1970er-Jahre belieferte das Unternehmen auch die Nordfriesischen Inseln, Neuwerk und sogar die Hochseeinsel Helgoland von Hamburg aus mit Trinkwasser.

500 Tonnen kann die "Hadersleben" etwa tragen, etwas weniger die modernen Schiffe, die Jacobsen & Cons. noch in Hamburg und Lübeck betreiben. Viele Frachter und Kreuzfahrer produzieren mit Entsalzungs- und Aufbereitungsanlagen allerdings wie die Inseln inzwischen auch ihr Wasser selbst. Doch noch immer hat das Hamburger Unternehmen, das sich inzwischen mit Trinkwasseraufbereitungstechnik längst ein zweites Standbein aufgebaut hat, Kunden im Hafen. Sei es, weil dort Nordseewasser ungern für die Aufbereitung genommen wird oder dass Technik mal nicht funktioniert. Rund 50 bis 100 Tonnen nimmt ein größerer Containerfrachter aus den Tanks der Wasserboote auf, die Kreuzfahrtschiffe auch bis zu 1000. Kunden haben Vater und Tochter Reinecke dazu nicht nur in Hamburg, bis Cuxhaven hinauf liefern sie das frische Nass.

Doch für das raue Gewässer der Elbmündung hat die "Hadersleben" keine Zulassung mehr, zu teuer wäre die Anpassung des noch genieteten Schiffs an heutige Standards. Ihre Tage sind daher gezählt - als Wasserboot.