Katharina Beck hatte lange mit ihren Katholiken gehadert. Vor vier Jahren war die 30-Jährige aus der katholischen Kirche ausgetreten.

Hamburg. Diese besinnlichen Momente in der St.-Jacobi-Kirche, wenn sie für Freunde oder für ihre Familie eine Kerze anzündet am Kerzenbaum, wenn sie ein wenig zur Ruhe kommt - diese Momente genießt Katharina Beck besonders. Dienstags kommt sie, wann immer es geht, um 12.30 Uhr zur "Mittagspause für die Seele" mit Orgelmusik und Gebeten in die Innenstadtkirche. Sie betet jeden Tag ein Vaterunser, immer dann, wenn es eben passt. Das muss gar nicht in einer Kirche sein. Manchmal betet sie abends im Bett, manchmal im Badezimmer. Katharina Beck, 30 Jahre alt und in Eimsbüttel zu Hause, ist gläubig.

Dass sie auch Kirchenmitglied ist - wie 702.300 andere Hamburger auch -, war nicht immer so. Vor vier Jahren war sie aus der katholischen Kirche ausgetreten. Jetzt ist sie Mitglied bei den Potestanten. Ob katholisch oder evangelisch: In beiden Kirchen gehen die Mitgliederzahlen zurück. Hatte die evangelische Kirche in Hamburg im Januar 2009 noch 537.983 Gemeindeglieder, waren es im Januar dieses Jahres 22 113 Mitglieder weniger. Bei der katholischen Kirche sind vergangenes Jahr 2191 Menschen ausgetreten.

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Austritte - auch ein Grund für die Lange Nacht der Kirchen. 130 Gemeinden machen hier mit Literatur, Musik, Tanz und Kunst auf sich aufmerksam. "Kirche ist ein Ort, an dem man mit seinen Fehlern akzeptiert wird", sagt Katharina Beck, die als Unternehmensberaterin noch in der Nähe von der Kirche St. Jacobi arbeitet - aber demnächst an ein Forschungsinstitut wechseln wird, das sich damit beschäftigt, Finanzdienstleistungen menschlicher zu machen. Das Menschliche, die Nächstenliebe, sie benutzt auch das Wort Barmherzigkeit, habe sie schon als Kind zu Hause in Duisburg geprägt, sagt die junge Frau heute.

Als Baby wurde sie katholisch getauft, Kommunion, Messdienerin, Firmung. Als Kind war Katharina Beck in der katholischen Kirche zu Hause. Dann als Erwachsene kamen die Zweifel: "Auf meiner ersten Gehaltsabrechnung sah ich, wie viel Kirchensteuer mir abgezogen wurde für eine Institution, in der Frauen nicht die gleichen Rechte haben wie Männer, in der Kondome und die Pille abgelehnt werden. Eine Institution, die nicht demokratisch ist", sagt Katharina Beck. Damit konnte sie sich überhaupt nicht identifizieren. Ihren Glauben hatte sie auf dem Weg vom Kind zur Frau irgendwann schlicht vergessen.

Bei einer Reise ins bolivianische Potosí - der Silberreichtum der Stadt am Fuß des Berges Cerro Rico hatte diese im frühen 17. Jahrhundert zu einer der größten der Welt gemacht - kamen ihr weitere Zweifel an der Institution Kirche. "In der Stadt, die noch heute vom Silber- und Zinnvorkommen lebt, herrscht bittere Armut, dort sterben Menschen wie Fliegen. Die Minenarbeiter haben eine Lebenserwartung von 33 Jahren, werden ausgebeutet. Und in der Kirche hängt überall Silber und Gold." Ihr Grundgefühl zu dieser Zeit: "Gott, das kannst du doch nicht wollen. Das kann doch nicht der Sinn sein." Und so trat Katharina Beck aus der Kirche aus.

Bis zu einer Sinn- und Lebenskrise im vergangenen Sommer. Sie nahm sich Zeit, verbrachte fünf Tage in einem Schweigekloster bei Goslar und fragte sich: "Was treibt mich an?" Die Antwort: Lebensfreude. "Wir haben so viel im Westen." Auch wenn sich das vielleicht seltsam anhöre: "Wir haben viel zu danken und demütig zu sein." Das Leben sei wirklich ein Geschenk. Und die Kirche, sagt sie weiter, sei der Ort, an dem sie den Gedanken der Barmherzigkeit und Nächstenliebe am besten leben könne. "Hier muss man nicht perfekt sein", sagt Katharina Beck.

Die besinnliche Mittagspause für die Seele in St. Jacobi war der Anfang. "Dann dachte ich mir, du kannst diese Dienstleistung nicht einfach nur in Anspruch nehmen. Also bin ich wieder in die Kirche eingetreten", sagt sie. Statt katholisch ist sie jetzt evangelisch. Die offene Diskussionskultur dort liege ihr einfach mehr.

Natürlich könne sie auch in der U-Bahn an ihre Lieben denken, dafür braucht sie keine Kirche. "Aber die Kirche ist ein besonderer Ort mit einer ganz eigenen Atmosphäre."