Sie horten Milliarden der Beitragszahler und greifen die Ärzte klischeehaft an

Der aktuelle Streit um die Honorare ist die heftigste Auseinandersetzung, die es zwischen Ärzten und gesetzlichen Krankenkassen bislang gegeben hat. Und das hat mit einem Kassenverband zu tun, der eine Kommunikationsstrategie fährt, die an Verleumdung erinnert. Dagegen sind die Nadelstiche der Ärzte mit ihren angekündigten Bummelstreiks beinahe schon läppisch. Kein verantwortungsvoller Doktor wird einen kranken Patienten im Stich lassen.

Seit Monaten giften die Kassenfunktionäre gegen die niedergelassenen Mediziner. Da werden Gutachten in Auftrag gegeben, die die "Gier" der Weißkittel belegen sollen. Zahlen zu den Durchschnittseinkommen werden frisiert, schon vor den Verhandlungen wird getrickst, geblufft und angeblafft. Verantwortlich dafür ist der Spitzenverband der Krankenkassen. Ihm scheint jedes Mittel recht zu sein, an der Glaubwürdigkeit der Ärzte zu kratzen und das Klischee vom Porsche fahrenden Gesundheitsunternehmer aufrechtzuerhalten. Diese Ärzte gibt es. Sie sind in der Minderheit.

Natürlich dürfen Ärzte nicht streiken. Dass sie die Praxen schließen, passiert allerdings auch jetzt schon. Als Selbstständige mit ökonomischem Risiko jonglieren sie Patienten, Einkommen und Mini-Firma. Auf der anderen Seite haben sie ein "festes" Einkommen durch die Sicherheit der gesetzlich Versicherten und das Sahnehäubchen der Privatpatienten. Von diesen kassieren sie im Schnitt deutlich mehr Honorar.

Das alles könnte dem Patienten, der auf Termine wartet und immer mehr zuzahlt, eigentlich gleichgültig sein. Aber ein guter Arzt ist sein intimer Vertrauter außerhalb der eigenen vier Wände. Und der Versicherte zahlt Beiträge, die die Kassen treuhänderisch verwalten.

Mehr als 24 Milliarden Euro wird es am Ende des Jahres bei den Krankenkassen, die ja keine Sparkassen sind, an Reserven geben. Da wird sich doch ein Weg finden, einen Teil an die Einzahler zurückzugeben (was viele gar nicht wollen) oder mehr Geld in die Versorgung zu stecken - was Patienten befürworten.

Wenn es gelänge, die "sprechende Medizin" besser zu honorieren, wäre die Verteilung unter den Ärzten ausgewogener. "Zeit ist Geld" könnte ein Motto der Bezahlung werden. Stattdessen fließt immer mehr vom Honorarkuchen in Hightech, Laboruntersuchungen und Gerätemedizin. Nicht jeder dieser technischen Fortschritte kommt im selben Quantensprung beim Patienten an. Warum wird der Hausbesuch eines Allgemeinmediziners im Altenheim so schlecht bezahlt? Warum werden Ärzte in Regress genommen, wenn sie Medikamente verschreiben, von denen sie für den Patienten den größten Nutzen erhoffen? Und manchmal bewahrt eine günstige Physiotherapie vor einer teuren Gelenkoperation plus Reha.

Warum behaupten die Kassen, die Ärzte müssten das Budget nur untereinander besser verteilen? Richtig ist, dass nach Abzug von Praxiskosten, Altersvorsorge und Steuern zwischen den Einkünften von Hausärzten in Billstedt und Internisten in Eppendorf Zehntausende Euro liegen können. Allerdings reden die Kassen bei der Verteilung mit. Es nur den Ärztefunktionären in die Schuhe zu schieben, das ist billig und grundlos.

Die Kassen wollten sich zu Anwälten ihrer Versicherten stilisieren. Dadurch haben sie die Ärzte in ihrer Wut zusammengeschweißt. Was sie vor dem für die Gesundheitspolitik entscheidenden Wahljahr vermeiden wollten, fällt ihnen jetzt vor die Füße.