Wagner aus Brunsbüttel expandiert kräftig und will in den nächsten Jahren stärker in Asien aktiv werden. Große Nachfrage auch durch Firmen.

Brunsbüttel. Vorsichtig rollt die Frau im weißen Kittel eine braune Kugel über die Schokoladenmasse auf dem Fließband. Bald ist das Rund so von Einschlüssen und kleinen Stacheln übersät wie der Planet des "Kleinen Prinzen" aus dem gleichnamigen Buch des französischen Schriftstellers Antoine de Saint-Exupéry. Oder anders ausgedrückt: "Die Maschine igelt vor, dieMitarbeiter igeln nach", sagt Schichtführerin Monika Hasselbusch über den Arbeitsschritt in der süß duftenden Fabrik, bei der die Trüffeln ihre Stacheln auf der Oberfläche bekommen. Neben der Tüftelei an den Schokostacheln durchlaufen die süßen Köstlichkeiten bei Wagner Pralinen, die später imAlsterhaus oder der Galeria Kaufhof auf die Kunden warten, etliche Stationen mit kniffeliger Handarbeit.

Hier werden kleine farbige Verzierungen mit der Spritztülle auf Nougatberge aufgemalt, dort bringt eine Mitarbeiterin zwei Walnusshälften an den Schokostücken an. "Manche Pralinen durchlaufen sechs bis sieben Arbeitsschritte", sagt Monika Hasselbusch. Die Frau mit dem trockenen Humor arbeitet seit 20 Jahren bei Wagner. Viel geändert hat sich seither nicht. In den flachen Fabrikhallen am Rande eines Wohngebietes wird bis heute zum Großteil manuell gefertigt.

Preise von rund 4,50 bis fünf Euro für acht Pralinen in der Schachtel belegen den Premiumanspruch. Menschen statt Maschinen könnte das Motto des Produzenten hinter dem Elbdeich lauten. Selbst in der Erinnerung von Christel Wagner, der 77-jährigen Seniorin aus der Eigentümerfamilie, die hier in Arbeitskittel und mit Haarnetz durch die Gänge läuft, war eigentlich fast alles immer so wie heute. Außer vielleicht, dass die Zeitverschiebung in Brunsbüttel immer weiter voranschreitet. Schon Ende August finden sich heute Nougat-Weihnachtssterne und Marzipankartoffeln auf den Laufbändern. Die ersten Supermärkte wollen im September ihre Adventsabteilungen einrichten. Vorfreude soll ja die schönste Freude sein.

"Meine Mutter ist bei uns noch an vorderster Front aktiv", sagt Jörg Wagner, der 1995 in die Geschäftsführung eingestiegen ist. Früh, mit 28 Jahren, hat er selbst bei dem Mittelständler die Verantwortung übernommen. Der Tod seines Vaters hatte den Sprung desJuniors in die Führungsverantwortung praktisch direkt nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre erzwungen. Gemeinsam mit Jörg Wagner steht auch dessen Bruder Reinhard Wagner junior, 52, an der Spitze des Süßwarenspezialisten: Sie teilen sich die Geschäftsführung und tragen so die Familientradition des Unternehmens weiter, das 1891 von Emil Wagner gegründet wurde.

Der Übergang in die vierte Generation hat dem Unternehmen offenbar nicht geschadet - heute laufen die Geschäfte so gut, dass die Firma aus allen Nähten platzt. "Wir wollen unseren Standort hier in Brunsbüttel erweitern oder umziehen", sagt Jörg Wagner. Die bisher 150 Beschäftigten sollen im kommenden Jahr noch einmal gut 15 neue Kollegen bekommen; die Erlöse dürften nach Einschätzung Wagners zweistellig wachsen. An eine Produktion im günstigeren Ausland denkt Wagner nicht. "Hier liegt schließlich unsere Kompetenz." Etliche Beschäftigte arbeiteten schon ihr ganzes Leben lang bei dem Unternehmen. Die gute Arbeit in Deutschland lässt sich Wagner etwas kosten, zugleich ist er abhängig von stark schwankenden Rohstoffpreisen. "Kakao, Mandeln und Nüsse sind erheblich teurer geworden", sagt Wagner. Es sei mehr als ärgerlich, dass Spekulanten inzwischen auch den Markt für Nahrungsmittel beherrschten.

Trotz aller Widrigkeiten behauptet sich der norddeutsche Pralinenhersteller auch gegen bekannte Marken wie Lindt oder Feodora. Wagner arbeitet aber auch häufig im Verborgenen. Viele Kunden dürften die Manufaktur gar nicht kennen, weil sie häufig unter anderem Namen produziert.

In Hamburg treffen Schokofans in großen Kaufhäusern oder Cafés auf die weißen Packungen der Wagners mit dem goldfarbenen, geprägten Schriftzug. Anderswo kann das Logo aber auch in den Hintergrund rücken - etwa bei einer Schachtel Pralinen mit der Aufschrift "Gruß aus Nürnberg", einem Mitbringsel aus dem Süden der Republik, das aber in Brunsbüttel produziert wird. Auch Firmen wie die Deutsche Bahn oder der Fensterhersteller Velux verlassen sich bei ihren Präsenten für Kunden oder Geschäftspartner auf Wagner. Die Front der jeweiligen Pralinenschachtel ziert dann das entsprechende Firmenlogo, ganz nach Wunsch des Auftraggebers. "Diesen Bereich wollen wir künftig noch weiter ausbauen", sagt Wagner.

Auch den Export will der Süßwarenspezialist stärken. Bisher ist Wagner in Österreich, Skandinavien, Spanien, Italien und sogar in Japan vertreten. Gerade in Asien, etwa in China, sei der Markt aber stark ausbaufähig. "Französische Weine und deutsche Autos sind dort en vogue", sagt Wagner. Vielleicht bald auch Pralinen aus Brunsbüttel.