Die Hadag-Schiffe sind oft überfüllt, die Zahl der Ausfälle steigt. Die Chefin weist die Kritik zurück, kauft aber dennoch ein zusätzliches Schiff.

Finkenwerder/St. Pauli. Die Fahrgastzahlen der Hadag können sich sehen lassen. Im vergangenen Jahr nutzten rund 7,55 Millionen Fahrgäste die Fährlinien im Hafen, allein rund 4,038 Millionen Mitfahrer konnte die bekannte Linie 62 zählen, die die Landungsbrücken mit Finkenwerder verbindet. Zum Vergleich: 2005 lagen die Gesamtfahrgastzahlen noch bei rund 5,688 Millionen. Eigentlich eine Erfolgsgeschichte - doch jetzt protestieren Politik und Pendler.

Fahrgäste, die werktags mit der Fähre 62 zur Arbeit in die Innenstadt fahren, beklagen überfüllte Fähren, Unpünktlichkeit und Schiffsausfälle. In diesem Jahr waren es bis zum 31. Juli auf der Linie 62 allein bereits 42 Ausfälle, im vergangenen Jahr waren es insgesamt 30. Nicht eingerechnet sind dabei Schiffsausfälle infolge von Großveranstaltungen oder Bombenfunden. "Es ist erstaunlich, dass das Verkehrsunternehmen trotz explodierender Fahrgastzahlen die Schiffsflotte kaum erweitert", sagt der Finkenwerder SPD-Bezirksabgeordnete Ralf Neubauer. Deshalb komme es zu Kapazitätsengpässen und Verspätungen. Der Regionalausschuss Finkenwerder erhält deshalb laut Neubauer zahlreiche Beschwerden von Bürgern, doch ein Gespräch mit Hadag-Vorstand Gabriele Müller-Remer sei bislang nicht zustande gekommen.

22 Fähren sind zurzeit im Linienverkehr im Einsatz, nur drei mehr als noch 2005. "Bei gutem Wetter sind die Schiffe der Linie 62 auf der Rückfahrt regelmäßig überfüllt, weil immer mehr Touristen diese Verbindung für eine kostengünstige Hafenrundfahrt nutzen", sagt Martin Minkenberg. Der Bauingenieur ist schon seit Jahrzehnten Stammkunde auf der Linie 62: "In den vergangenen Jahren ist es schlimmer geworden. Das gilt auch für den Zustand der Schiffe, ganz zu schweigen von den Toiletten."

Die Touristen erfreuen sich wohl in erster Linie an der attraktiven Strecke durch den Hafen. Für die Fahrt reicht ein normales HVV-Großbereichsticket für 2,85 Euro: "Wir gönnen jedem Touristen eine Rundfahrt auf der Hadag-Fähre. Aber das Unternehmen sollte vor allem auch daran denken, dass genügend Platz für die Pendler bleibt", sagte Silke Schwartau, die seit 35 Jahren die Verbindung nutzt. Besonders bei gutem Wetter komme es zu tumultartigen Szenen bei der An- und Abfahrt der Schiffe.

Einen weiteren Vorwurf erhebt Student Sebastian Stahl, der zwischen der HafenCity und Finkenwerder pendelt: "Die Station Sandtorhöft wird häufiger einfach gar nicht bedient, und dann stehen die Fahrgäste da rum und werden überhaupt nicht informiert."

Bei der Hadag weisen die Verantwortlichen die Kritik zurück: "Es kommt nur in seltenen Fällen vor, dass die Station Sandtorhöft nicht angefahren wird", sagt Vorstand Gabriele Müller-Remer. Das passiere dann, wenn die Elbe für den Schiffsverkehr gesperrt werde oder wegen des Passagierandrangs an den Landungsbrücken. Müller-Remer will den Vorwurf "überfüllter Fähren" ebenfalls nicht gelten lassen: "Die meisten unserer Schiffe können bis zu 250 Personen befördern, und diese Anzahl wird nicht überschritten." Es entstünde dann sicherlich bei besonders großem Andrang der Eindruck, dass Schiffe voll seien, aber das gelte dann für das Oberdeck und nicht für den Innenraum.

+++ Hadag-Fahrgäste +++

Überhaupt, so Müller-Remer, seien die Kunden sehr zufrieden mit der Qualität des Verkehrsunternehmens. So habe es aufgrund von Unpünktlichkeit oder Schiffsausfällen im vergangenen Jahr nur acht Beschwerden gegeben. Allerdings sind diese auf 13 innerhalb des ersten Halbjahres 2012 angestiegen.

Im Gespräch mit dem Abendblatt kündigte die Hadag-Chefin zum Fahrplanwechsel im Dezember 2012 auch Veränderungen an, die offensichtlich eine Reaktion auf die kontinuierlich gestiegenen Fahrgastzahlen sind: So wird die Linie 62 dann an den Landungsbrücken enden. Eine neue Linie 72 wird die Anlegestellen Landungsbrücken, Arningstraße und Elbphilarmonie (ersetzt Sandtorhöft) bedienen. "Dadurch wird die Linie 62 entlastet", sagt Müller-Remer. Auf der soll der 15-Minuten-Takt im Zeitraum von April bis September um eine Stunde bis 22.15 Uhr verlängert werden.

Auch eine neue Fähre mit Kapazitäten für bis zu 250 Fahrgäste hat die Hadag bestellt. Das Schiff soll im Frühjahr in Betrieb genommen werden: "Wenn sich die Fahrgastzahlen weiterhin so kontinuierlich entwickeln, dann brauchen wir natürlich mehr Schiffe. Aber das kostet auch Geld", sagt Müller-Remer. Der Verlust der Hadag lag im vergangenen Jahr bei 6,9 Millionen Euro. Und mehr Fahrgäste bedeuten nicht unbedingt ein geringeres Minus. Denn die Kosten für ein neues Schiff (rund zwei Millionen Euro) übersteigen die Mehreinnahmen deutlich. "Im öffentlichen Personennahverkehr gibt es nie einen Kostendeckungsgrad von 100 Prozent. Das heißt: Bei jedem Fahrgast wird draufgezahlt", sagt Müller-Remer. Aber das sei von der Stadt so gewollt, um den Umstieg für die Bürger auf den ÖPNV attraktiv zu machen.