Thomas Beyer, Hamburgs neuer Sportamtsleiter, sieht Potenziale beim Basketball und fordert die tägliche Bewegungszeit

Hamburg. Es ist für manche seiner Weggefährten ein ungewohnter Anblick, Thomas Beyer im grauen Nadelstreifenanzug mit blauer Krawatte zu erleben. Die Verwandlung hat einen Grund. Der 59-Jährige, verheiratet, Vater einer 23 Jahre alten Tochter, leitet seit einem Monat das Sportamt der Stadt. Die neue Position hat auch die sonst so scharfe Zunge eines der Vordenker des Hamburger Sports ein wenig gezügelt, seine Ansprüche nicht. Beyer will den Sport weiter voranbringen und dabei alle mitnehmen: die Menschen, die Vereine, die Wirtschaft und die Politik. Auf seinem Weg möchte er "weniger verwalten, mehr gestalten, vermitteln und einen Haufen Spaß haben, denn darum geht es beim Sport".

Hamburger Abendblatt:

Herr Beyer, heute startet das erste Hamburger Sportvergnügen, das bis zum Sonntag mit zahlreichen Aktionen in der City und in den Klubs auf die Angebote der Vereine und Verbände aufmerksam machen will. Ist das Sportvergnügen ein Format, das den Hamburger Sport voranbringt?

Thomas Beyer:

Das hoffe ich. Es ist ein erster Aufschlag zu "Großem Sport" in Hamburg, den wir aber kräftig entwickeln müssen. In den nächsten Jahren wünsche ich mir noch mehr Vereine, auch die privatwirtschaftlichen Sportstudios, die Krankenkassen und die vielen weiteren Sportanbieter bei dieser Aktion. Es muss ein wirklicher Tag des Hamburger Sports sein, der die Bevölkerung begeistert und zum eigenen Sporttreiben animiert.

An Sportbegeisterung mangelt es in dieser Stadt nicht. Nach dem Empfang der Olympiamannschaft bescheinigte der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbunds, Thomas Bach, Hamburg eine "olympiareife Feier". Wann holen Sie Olympia nach Hamburg?

Beyer:

Diese Ungeduld finde ich klasse, aber unhanseatisch. Zunächst müssen wir uns sortieren und zur Kenntnis nehmen, auf welchem finanziellen und organisatorischen Niveau zum Beispiel London die Spiele abgehalten hat. Ich halte nichts davon, durch Verlautbarungen die Latte so hoch zu legen, dass man sie nicht mehr überspringen kann. Wir schauen in den nächsten Jahren, welche Veranstaltungen und Sportarten das Potenzial haben, um zu den angestrebten Top-Ten-Events der Stadt zu gehören. Wir werden demnächst eine Ausschreibung für neue Formate vorlegen, um die sich Agenturen, Vereine und Verbände bewerben können. Nach fünf Jahren wissen wir wahrscheinlich, wie unser Weg aussehen wird, was eine Hamburgensie wird und was auf das Konto Werbung für die Stadt einzahlen könnte. Ich halte es nicht für zielführend, sich für Veranstaltungen zu bewerben, wenn dafür die Basis in der Stadt fehlt. Das wird am Ende nur immens teuer und bringt für die Lebensqualität dieser Stadt nichts. Besser wäre es, mit Sport auf allen Ebenen so aufgestellt zu sein, dass an Hamburg kein Weg vorbeiführt. So wie für den Radsport-Weltverband, der in den nächsten Jahren in Hamburg eine WM veranstalten möchte, weil er hier ein weltweit einmaliges Sportklima vorfindet.

Welche neuen Events würden passen?

Beyer:

Da gibt es keine Denkverbote, aber alle Sportarten müssen das Hamburger Profil haben oder es anstreben können. Potenziale sehe ich zum Beispiel im Basketball. Die laufenden Bemühungen, eine Bundesligamannschaft zu etablieren, sind unterstützenswert, weil wir sie mit der erfolgreichen Grundlagenarbeit in Wilhelmsburg verbinden können. Grundsätzlich fordert das Hamburger Profil von den Top-Ten-Events, den Schul- wie den Vereinssport zu entwickeln, den Behindertensport zu integrieren und zur Stadtteilentwicklung beizutragen. Das heißt, idealerweise käme auch die Aufwertung benachteiligter Stadtteile hinzu.

In der Vergangenheit hat der Vereinssport aber selbst von hochgelobten Events wie dem Marathon, dem Triathlon und den Cyclassics kaum profitiert.

Beyer:

In der Tat sind die Effekte noch viel zu gering. Die Vereine und Verbände müssen hier vermutlich umdenken, service- und leistungsorientierter werden. Offensichtlich wollen die Menschen heute mehr Wettkampfsport, aber auch mehr Service und Ausbildung als bisher. Darauf sollten die Klubs stärker reagieren. Die Botschaft könnte doch sein: Bei uns könnt ihr euch perfekt auf Wettkämpfe vorbereiten, auf die Gefahren bei Radrennen zum Beispiel, wir haben dafür die Trainer und die entsprechenden Gruppen.

Welche Rolle könnte in diesem Prozess das Sportamt spielen?

Beyer:

Wir definieren uns als Landessportamt gerade neu. Die Bezirke werden in der Sportpolitik gestärkt und künftig auch für den Sportanlagenbau verantwortlich sein. Das Sportamt wird als Geschäftsstelle der Dekadenstrategie des Senats agieren und die Entwicklung des Sports vorantreiben. Wir können die Bedingungen durch kluge Kooperationen mit anderen Behörden und Akteuren des Sports verbessern. Dazu gehört, dass der Senat 78 Millionen Euro für die Instandsetzung von Turnhallen bei Schulbau Hamburg eingeplant hat, wir mit der Sozialbehörde und Verbänden über bessere Bewegungsförderungen in den Kitas reden oder wir Kooperationen beim Sportstättenbau stärker als bisher erschließen wollen.

Als Sprecher der 23 Topsportvereine, den Klubs mit mehr als 2500 Mitgliedern, haben Sie sich für die tägliche Bewegungszeit an Hamburger Schulen eingesetzt. Halten Sie in Ihrer neuen Funktion als Sportamtsleiter an diesem Ziel fest?

Beyer:

Es ist meine vornehmste Aufgabe zu helfen, alle Hamburger von Kindesbeinen an in Bewegung zu bringen. Es macht schließlich mehr Spaß, Sport zu treiben, als keinen Sport zu treiben; von den gesundheitlichen Aspekten und den entsprechenden Kosten für die Gesellschaft ganz abgesehen. Wir müssen in den Kindergärten anfangen, bei der Ausbildung der Erzieher und das Dekadenziel einer täglichen Bewegungszeit in der Schule hartnäckig anstreben, entweder im Sportunterricht oder im Zuge der Ganztagsbetreuung. Eine sportliche Stadt definiert sich nicht über die großen Events, sondern über das tägliche Erleben von Bewegung und Sport im Umfeld der Menschen.