Die deutsche Werftbranche besser da als angenommen. Beschäftigung steigt trotz Krise um 3,1 Prozent. IG Metall fordert mehr Innovationen.

Hamburg. Es waren nicht eben gute Nachrichten, die in den vergangenen Monaten aus der deutschen Schiffbauindustrie zu hören waren: In Mecklenburg-Vorpommern ringen die P+S Werften mit rund 1900 Beschäftigten ums Überleben, und in Hamburg konnte der Fortbestand der traditionsreichen Sietas-Werft nur durch die Zerschlagung und den Verkauf an mehrere Investoren gesichert werden.

Doch trotz dieser Hiobsbotschaften und der harten Konkurrenz aus Fernost steht die deutsche Werftbranche besser da als allgemein angenommen. Erstmals seit vier Jahren beschäftigen die Unternehmen insgesamt nämlich wieder mehr Mitarbeiter. Ende August waren 16 850 Arbeitnehmer auf den Werften angestellt, 500 mehr als ein Jahr zuvor, wie aus der jährlichen Schiffbauumfrage der IG Metall Küste und der Universität Bremen hervorgeht. Dazu kommen 6500 Beschäftigte mit Werkvertrag sowie 3300 Leiharbeiter, heißt es in der am Freitag in Hamburg vorgestellten Studie.

+++ Größte deutsche Werften +++

"Dieses Ergebnis zeigt, dass der Schiffbau in Deutschland trotz aller Schwierigkeiten eine Perspektive hat", sagt der Bezirksleiter der IG Metall Küste, Meinhard Geiken. Getragen wurde das Wachstum in den vergangenen zwölf Monaten vor allem von den hoch spezialisierten Werften wie Meyer in Papenburg, die sich mit großem technischen Know-how gegen die günstigere Konkurrenz aus Asien behaupten können. Die weltweit erfolgreichen Kreuzfahrtexperten stellten rund 160 neue Mitarbeiter ein und lösten erstmals den Verbund ThyssenKrupp Marine System als größte deutsche Werftengruppe ab. Auch die Flensburger Schiffbaugesellschaft, die sich auf den Bau von Fähren konzentriert, stockte die Belegschaft auf, ebenso wie die auf Luxusyachten spezialisierte Lürssen-Gruppe aus Bremen.

In Hamburg konnte zumindest der militärische Teil der Traditionswerft Blohm & Voss, die Naval GmbH, einen deutlichen Zuwachs um 17,2 Prozent auf jetzt 355 Beschäftigte vermelden. Auch der Reparaturbetrieb der Werft legte bei der Belegschaft leicht zu. Im zivilen Teil Blohm & Voss Shipyard, der seit Juli zum britischen Finanzinvestor Star Capital gehört, ging die Zahl der Beschäftigten hingegen leicht auf 576 Kräfte zurück.

Deutlich Federn lassen musste Hamburgs älteste Werft Sietas, die nach der Insolvenz nun in drei Teilen weiterbesteht. In der eigentlichen Bauwerft J.J. Sietas KG gingen 40 Prozent der Stellen verloren, in der Neuenfelder Maschinenfabrik, die vom norwegischen Schiffsausrüster TTS übernommen wird, musste fast die Hälfte der Belegschaft gehen.

Kritisch wertet es die IG Metall, dass auf den deutschen Werften auch die Leiharbeitsquote wieder zugenommen hat. Bei Blohm & Voss Shipyard verdoppelte sie sich beispielsweise laut Studie auf 13,7 Prozent. Auch die Zahl der Werkverträge nahm insgesamt zu. Hohe Qualität im Schiffbau sei aber nur mit einer motivierten und gut ausgebildeten Stammbelegschaft zu erreichen, mahnte Bezirksleiter Geiken.

Für die kommenden Jahre sieht die Gewerkschaft den deutschen Schiffbau an einem Scheideweg. Neue Zukunftsmärkte zeichneten sich ab, vor allem bei der Entwicklung umweltfreundlicher Schiffe und bei der Energiegewinnung vor den Küsten durch Wind, Öl und Gas. "Die Marktchancen sind von den Wachstumserwartungen her immens", sagte der Schiffbauexperte der IG Metall, Heino Bade. "Eigentlich müssten wir neue Werften bauen." Die großen globalen Aufgaben Energie, Versorgung und Verkehr könnten nur mit einer leistungsfähigen maritimen Infrastruktur gelöst werden. Koreaner und Japaner hätten das erkannt und investierten Milliarden in die Entwicklung neuer Offshore-Produkte. In Deutschland dagegen fehle staatliche Unterstützung weitgehend. "Wir haben die Politik nicht im Rücken, sondern im Nacken", sagte Bade. "Das ist das Problem."

Geiken erinnerte an die Abwrackprämie für die Automobilindustrie und an die Förderung neuer Antriebssysteme wie der Elektromobilität. Auch die Luft- und Raumfahrt genieße die Aufmerksamkeit der Politik, nicht hingegen die Werften. "Die Bundesregierung hat immer noch nicht erkannt, dass der Schiffbau eine strategisch wichtige Industrie ist", so Geiken.