Am Sonntag ist “Tag der Legenden“. Vom Erlös der Veranstaltung profitiert auch Waldemar Rohdes Rahlstedter Sportprojekt für Jugendliche.

Rahlstedt. Hier fing also alles an. Eine schmucklose Sporthalle in Rahlstedt war der Ursprung. Vor 13 Jahren begann an der Scharbeutzer Straße ein Experiment, aus dem eine Erfolgsgeschichte werden sollte. Aber das konnte damals niemand wissen.

So etwas hatte es in Hamburg noch nicht gegeben. Am Wochenende wurde eine Turnhalle geöffnet, damit Jugendliche dort Sport treiben konnten. Freitags bis nach Mitternacht, sonnabends von 14 bis 20 Uhr und am Sonntag von 11 bis 18 Uhr. Fußball, Basketball, Volleyball, Tischtennis. Bewegung mit Bällen statt Mist bauen auf der Straße, Regeln einhalten statt rumhängen. Konnte das gut gehen? Und würde sich überhaupt ein Jugendlicher dafür interessieren?

+++ Wer trifft das schwimmende Fußballtor auf der Alster? +++

"Wir wussten am Anfang natürlich auch nicht, wie viele junge Leute kommen würden", sagt Waldemar Rohde, 54. Er selbst kam 1995 nach Hamburg. Aus Kokshetau, einer Stadt im Norden Kasachstans. "Dort sind die Hallen für Jugendliche immer geöffnet", sagt er.

Wenn am kommenden Wochenende zum achten Mal mehr als 70 Fußball-Legenden für das von TV-Moderator Reinhold Beckmann initiierte Jugendprojekt NestWerk nach Hamburg kommen, um im Millerntor-Stadion gegeneinander Fußball zu spielen, dann tun sie das auch für Waldemar Rohde und seine Jugendlichen in Rahlstedt.

Für Janis, 19, der das Angebot seit fast sechs Jahren nutzt. Mit einer Vereinskarriere als Fußballer war es nach einer Meniskusverletzung vorbei, jetzt kommt er fast jedes Wochenende, um Fußball, Tischtennis oder Volleyball zu spielen. "Man kann kommen, wann man möchte. Ich treffe hier Freunde, und das ist besser, als zu Hause rumzuhängen", sagt er.

Und für Larisa. Die 14-Jährige kommt seit drei Jahren hierher, trotz einer Stunde Fahrzeit. "Ich lerne hier Volleyballspielen, und vielleicht kann ich irgendwann mal in einem Verein spielen", sagt sie.

+++ Doll, Golz und Barbarez beim "Ballern auf der Binnenalster" +++

Von ihrem Trainer halten sie eine ganze Menge. "Waldemar ist locker drauf, ein Kumpeltyp, aber auch leistungsorientiert", sagen sie. "Er kennt sich in jeder Sportart aus und bringt uns eine Menge bei." Waldemar Rohde hat hier schon mit Jugendlichen Fußball gespielt, die es in die Zweite Liga geschafft haben. Und die heute noch manchmal vorbeikommen, um den Kindern zu zeigen, wie es geht. "Wenn man so will", sagt der groß gewachsene Mann mit den wachen Augen, "trainiere ich jetzt schon die dritte Generation."

Er hat aber auch schon Jugendliche aus der Halle verwiesen. Es gab "Schlägereien und Drogen". Und er musste die Halle auch schon mal schließen. "Die Arbeit ist nicht immer einfach", sagt er. Heute, an diesem heißen Sonntag, tummeln sich rund 30 Jugendliche in der Halle. Es läuft laute Musik, sie schlagen Bälle über das Netz oder spielen Tischtennis. Die Atmosphäre ist entspannt.

"Ja, das ist eine positive Entwicklung", sagt Rohde. "Und da haben wir sicher auch unseren Teil dazu beigetragen." Sozialarbeit und deren präventive Wirkung ist nicht wirklich messbar. Es geht vor allem darum, überhaupt einen Zugang zu den jungen Menschen zu finden. Und da bietet der Sport viele Chancen. Dass die Jugendlichen nur noch zu Hause vor dem Computer sitzen, kann Waldemar Rohde nicht bestätigen. "Das hat sich verändert. Vor allem wenn sie sehen, dass plötzlich Dinge klappen, dass man durch Übung besser wird."

In der Halle in Rahlstedt machen sie jedes Wochenende auch die Erfahrung, dass man sich an Regeln halten muss, um gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen.

Christoph Ebenthal, 54, benutzt ein schwieriges Wort, um die Entwicklung des sozialen Sportprojekts zu verdeutlichen. "Interventionsberechtigung", sagt er und lacht freundlich, weil er ja weiß, dass er das erklären muss. "Wir greifen bei defizitärem Verhalten der Kinder und Jugendlichen ein. Wir sagen es, wenn sie auffällig und aggressiv werden. Wir setzen Grenzen, wir tolerieren nicht alles. Und dieser Verhaltenskodex spricht sich rum. Der Große erzählt es seinem kleinen Bruder oder seiner Schwester. Und dann wissen sie, was bei unseren Projekten erlaubt ist - und was nicht."

Christoph Ebenthal ist Sozialarbeiter, er organisiert die Wettkampfserie "Straßenfußball für Toleranz" mit inzwischen 40 Turnieren, die über die Stadt verteilt in jedem Sommer stattfinden. Und er ist ein unverzichtbares Bindeglied zwischen der NestWerk-Initiative und der Hamburger Sportjugend, die das Hallenprojekt mit ihrem Verein "Voll in Bewegung" durchführt. "So ist NestWerk nicht nur Geldgeber, sondern selbst vor Ort, um zu gucken, ob und wie das Angebot die Jugendlichen erreicht."

Christoph Ebenthal ist seit 2001 dabei. Neben Rahlstedt ist auch eine Halle in Billstedt und eine in Kirchdorf-Süd am Wochenende für Sport geöffnet. Für eine Halle in Barmbek laufen Planungen. "Früher waren die Jugendlichen in Kirchdorf-Süd nicht in der Lage, etwas eigenständig zu organisieren", sagt er. "Heute gibt es viel weniger destruktives Verhalten. Die Halle ist dort am Wochenende der Treffpunkt im Viertel. Denn die Jugendlichen wollen sich ja bewegen." Man muss sie nur ernst nehmen und ihnen Räume zur Entfaltung geben.