Die Verpackungsverordnung verwirrt die Konsumenten, belastet die Umwelt und vernichtet Jobs

Nach Gelde drängt, am Gelde hängt doch alles" wissen wir Armen, frei nach Goethe, seit Faust I. Und wer dieser Tage die Nachrichten verfolgt, kann daran nicht zweifeln. Oftmals wird um Cent-Beträge gefeilscht, gestritten, geklagt. Es gibt nur eine Ausnahme: Und das sind Pfandflaschen, beziehungsweise vermeintliche Pfandflaschen.

Ob vor einem Fußballspiel, während einer Freiluftparty, nach dem Grillfest im Stadtpark oder dem Alstervergnügen, wie am vergangenen Wochenende - wenn es gut läuft, landen die Flaschen bei Pfandsammlern oder in den werbewirksam angebrachten Kästen von Lemonaid, wenn es mäßig läuft in Abfalleimern, und wenn es ganz schlecht läuft im Gebüsch. Denn irgendwann in den vergangenen Jahren haben die Hamburger vergessen, was zum Mehrweg dazugehört - dass man Flaschen kauft, austrinkt und eben zum Handel zurückbringt.

Mitverantwortlich mag sein, dass das Pfandgeld über Jahre nicht erhöht wurde und damit immer weniger wert wurde. Hinzukommt eine gewisse wohlstandsverursachte Wurstigkeit der Wegwerfgesellschaft - seinem Arbeitgeber oder Skatbruder würde man 25 Cent niemals freiwillig gönnen, dem Discounter aber schenkt man sie hingegen aus Bequemlichkeit.

Doch der Hauptverantwortliche für das Wasserdesaster ist wohl die sogenannte Verpackungsverordnung - ein politisches Ungetüm und ein Politkompromiss, der noch einmal frei nach Goethes Faust "ein Teil von jener Kraft ist, die stets das Gute will und stets das Böse schafft". Ursprünglich verfolgten die Umweltminister mit der Verpackungsverordnung ein Ziel: Die Mehrwegquote, also der Anteil der Getränke in wiederbefüllten Flaschen, wollten damals sowohl Klaus Töpfer und Angela Merkel (beide CDU) als auch Jürgen Trittin (Grüne) verteidigen. Um den Handel zu zwingen, wurde erst ein "Pflichtpfand" für Einweggetränke von 25 Cent angedroht und schließlich eingeführt. Das Gegenteil von gut ist gut gemeint.

Denn das Pfand hat eine Nation nachhaltig verwirrt und ein weltweit vorbildliches Mehrwegsystem zerschlagen. In Zeiten, wo der Wasserkäufer fast einen Hochschulabschluss in Gebindewissenschaften benötigt, hat die primitive Einwegflasche vom Discounter den Mineralbrunnen das Wasser abgegraben.

Zum einen glaubt Umfragen zufolge jeder zweite Kunde, eine Pfandflasche werde prinzipiell wieder befüllt (was nur selten stimmt), zum anderen subventioniert der rückgabefaule Kunde das Einbahnstraßensystem Einweg. Denn die 25 Cent verbleiben beim Discounter, landet die Flasche im Müll. Und weil Mineralwasser als Frequenzbringer in den Supermärkten gilt, wird der Preis gedrückt, dass man bald schon seine Wäsche wirtschaftlich damit reinigen könnte. 19 Cent für 1,5 Liter sind kein Einzelfall.

Das Ergebnis ist ein Wassereinbruch im System: Heute liegt der Mehrweganteil auf dem bundesdeutschen Wassermarkt nur noch bei weniger als einem Drittel - als die Verpackungsverordnung Anfang der 90er-Jahre ausgeheckt wurde, betrug er noch 91,3 Prozent. Man kann es sich leicht vorstellen: Pro Kopf trinken wir Deutschen jährlich 135,5 Liter Mineralwasser. Das entspricht entweder vier klassischen 0,7-Liter-Mehrwegflaschen - oder einem Plastikmüllberg aus 90 1,5-Liter-Flaschen. Politisches Scheitern lässt sich eindrucksvoll in jedem Supermarkt besichtigen. Wo einst die Perlenflasche des Deutschen Mineralbrunnens dominierte, regiert heute Plastik.

Die Wende am Wassermarkt droht damit einen deutschen Designklassiker wegzuspülen. Die 1969 entwickelte Perlenflasche war so ästhetisch wie klug - alle große Brunnen setzten sie ein und perfektionierten das Mehrwegsystem mit einer hohen Verfügbarkeit und kurzen Wegen. Inzwischen gönnen sich selbst mittelständische Brunnen eigene Pseudodesigns, die in bunte Kisten gequetscht werden - und anschließend entweder geschreddert oder bestenfalls nur vor Ort befüllt werden können. Die Plastikperlenflasche hingegen ist nur noch ein Nischenmodell.

Und mit der Perlenflasche gehen auch viele Mineralbrunnen den Bach hinunter: Die Billigheimer haben sich längst einen Anteil von 50 Prozent erobert, während rund 200 kleine Brunnen um die andere Hälfte kämpfen - mehr als 50 Anbieter hat die Wasserwende fortgespült. Weitere dürften folgen, Kritiker befürchten bereits den Zusammenbruch des Mehrwegsystems und den Wegfall von 10 000 Jobs. Dabei wollten die Politiker einst das Gegenteil. Nur geschieht nichts. Wie heißt es im Faust: "Der Worte sind genug gewechselt, lasst mich auch endlich Taten sehn."

Matthias Iken beleuchtet in der Kolumne "Hamburger KRITiken" jeden Montag Hamburg und die Welt