Mit der alten Währung entkämen wir der Krise nicht. Im Gegenteil: Unsere Wirtschaftsleistung würde schwinden wie in Griechenland

Im Verlauf der Euro- und Schuldenkrise gerät die Bundesregierung mehr und mehr in Gefahr, im Ausland als notorischer Bremser angesehen zu werden und alle diskussionswürdigen Lösungsmöglichkeiten der Krise zu verhindern. Das ist bedauerlich, weil Angela Merkel mit dem Fiskalpakt erfolgreich eine Schuldenbremse sowie automatische Sanktionen für Defizitsünder in 25 Ländern durchgesetzt und damit den Weg zu einer verantwortungsbewussten Wirtschaftspolitik geebnet hat.

Doch eine Wirkung des Fiskalpaktes wird erst mittelfristig eintreten; ein kurzfristiges Konzept zur Abschwächung der Euro-Krise hat die Bundesregierung bisher nicht vorgelegt. Sie lehnt alle aktuell vorgeschlagenen Maßnahmen von Euro-Bonds über Schuldentilgungsfonds bis zum Kauf von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank (EZB) strikt ab. Daher ist es für mich nicht überraschend, dass im westlichen Ausland inzwischen Wirtschaftsjournalisten die Meinung vertreten, die Euro-Zone würde ohne den Störenfried Deutschland besser mit der Schuldenkrise fertig werden. Nicht Griechenland oder andere südeuropäische Staaten, sondern Deutschland solle die Euro-Zone verlassen und die D-Mark wieder einführen.

Kurioserweise führen Parolen hierzulande, man müsse verhindern, dass Deutschland am Ende der einzige Zahlmeister für die Schuldenstaaten sei, zur selben Schlussfolgerung. Ich möchte daher versuchen, die ökonomischen Folgen eines Austritts Deutschlands aus der Euro-Zone und der Wiedereinführung der D-Mark mit der gebotenen Vorsicht grob abzuschätzen.

Unter Ökonomen besteht weitgehende Übereinstimmung, dass die D-Mark nach ihrer Wiedereinführung wegen der wirtschaftlichen Stärke Deutschlands und des "sicheren Hafens" für Finanzanlagen gegenüber dem Euro, aber auch gegenüber dem Dollar stark, d. h. um etwa 30 Prozent, aufgewertet würde. Um diesen Prozentsatz verteuern sich die deutschen Exporte, sodass die deutsche Exportindustrie ähnlich gravierende Probleme bekäme wie die Schweizer nach der Aufwertung des Franken. Nehmen wir an, dass ein Drittel der Kunden wegen der Qualität deutscher Produkte oder langfristiger Verträge die Preiserhöhung akzeptieren, verbleibt noch eine Schrumpfung des Exports um 20 Prozent durch erzwungene Preissenkungen oder den Verlust von Aufträgen. Da der Export ziemlich genau 50 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ausmacht, schrumpft dieses damit um zehn Prozent. Das ist aber nicht alles. Das rückläufige BIP reduziert auch den gesamtwirtschaftlichen Konsum, was zu einem weiteren Rückgang des BIP führt.

Die Abwärtsspirale wird zwar durch Verbilligung der Importe etwas gedämpft, kann aber nicht vernachlässigt werden. Ich schätze diese zusätzliche Abschwächung auf Sicht der nächsten zwei Jahre auf knapp sechs Prozent. Der Gesamtverlust aus der D-Mark-Einführung beträgt damit 16 Prozent unserer jährlichen Wirtschaftsleistung. Einen solchen Einbruch hat Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg nie erlebt, selbst auf dem Höhepunkt der Finanz- und Wirtschaftskrise 2009 waren es "nur" fünf Prozent.

Wir kommen damit in die Nähe Griechenlands, das in den letzten vier Jahren rund 17 Prozent seiner Wirtschaftsleistung eingebüßt hat, mit einem Anstieg der Arbeitslosenquote von 8 auf 23 Prozent. Eine ähnliche Entwicklung wäre für Deutschland katastrophal. Dabei sind die Abschreibungen auf Forderungen der Bundesbank gegen die EZB und auf Auslandsanleihen deutscher Banken noch nicht berücksichtigt. Die Wiedereinführung der D-Mark ist daher ökonomisch sinnlos und ein Spiel mit dem Feuer.

Was sollte die Regierung tun, um im Euro zu bleiben? Sie muss Zeit gewinnen, bis der Fiskalpakt und der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) in Kraft treten und ihre Wirkung entfalten. Diese Zeit gewinnt man nicht, indem man alle kurzfristigen Vorschläge der Partner strikt ablehnt. Ein gemeinsamer Schuldentilgungsfonds könnte die Kapitalmärkte beruhigen, aber da die Bundesregierung diese "Vergemeinschaftung" ablehnt, wird die EZB als letzte Rettung Staatsanleihen der südeuropäischen Länder aufkaufen und damit die Notenpresse in Gang setzen. Dafür haften wir dann alle - gemeinsam.