Msgr. Peter Mies, Pfarrer Kath. Gemeinde Maria Grün

Bei meinem Spaziergang durch das quirlige Vielerlei der Langen Reihe in St. Georg tut sich in einer Seitenstraße im Schatten hoher Bäume der weite Kirchplatz des Mariendoms auf. Der Dom, den ganzen Tag über geöffnet, empfängt mich im Innern in lichtheller, ruhiger Stimmung. Mein Blick wird fast automatisch angezogen von dem mächtigen, farbintensiven Mosaik im Deckenbogen über dem Altar. Vor himmlischem Goldgrund ist jene Szene dargestellt, die dem Mariendom seinen Namen und sein Patronat gab: Marias Aufnahme in den Himmel.

Während ich diese Stimmung in mir wirken lasse, sehe ich noch andere Menschen in der Kirche - alle still, im Gebet versunken: eine Oase mitten in St. Georg.

Seit letzter Woche gibt es einen neuen Geheimtipp in dieser Kirche: das Kolumbarium in der Krypta unterhalb des Altars. Vor Kurzem, am Fest Mariä Himmelfahrt, hat der Erzbischof diese neue Begräbnisstätte eingeweiht. Der Weg des Besuchers führt durch einen hellen Gang eine Ebene tiefer. Meine Schritte verlangsamen sich wie von selbst, als ich über einen Glasboden gehe, der wie ein bewegter Wasserlauf wirkt: Es sind Schritte in eine andere Welt.

Dann stehe ich im Kolumbarium, dem nichts von Friedhofs- oder Novemberstimmung anhaftet. Gold schimmernd wie das Mosaik in der Kirche eine Ebene höher, eröffnet der Raum einen Blick auf die große Zahl der Urnenplätze. Durch die in unterschiedlichen Winkeln angebrachten, bronzenen Metallplatten ist jeder Platz in einer eigenen Lichtsituation zu sehen: individuell wie die Toten, die hier ruhen werden. Frische, bunte Blumen zeugen von der ersten Urnenbeisetzung, die vor ein paar Tagen hier stattgefunden hat. "Freut euch, dass eure Namen im Himmel verzeichnet sind!" Dieser Satz Jesu aus dem Lukasevangelium an der Wand gilt dem Verstorbenen und seinen Angehörigen sowie allen Besuchern hier unten.

Die Farbgebung des Raums und seine Lichtstimmung erinnern nicht an ein Ende, sondern an den Sonnenaufgang: ein Gang in die Morgenröte - mitten im quirligen St. Georg.