Trotz aller Probleme in der Euro- und Schuldenkrise - die Welt beneidet unsere Oase des Friedens und Wohlstands

Die schwelende Euro-Krise, deren Ausgang noch völlig offen ist, hat eine kuriose Paradoxie im deutsch-europäischen Verhältnis gezeitigt. Das Projekt einer gemeinsamen Währung war ja nicht zuletzt von unseren Nachbarn vorangetrieben worden. Die Aufgabe der geliebten D-Mark war ein Preis, den die Deutschen für die Wiedervereinigung zu zahlen hatten. Wenn schon mitten in Europa ein wirtschaftlicher Koloss entstehen musste, sollte er wenigstens fest in das Geschirr einer europäischen Währung eingespannt werden. Auf diese Weise, so das Kalkül, würde dem vereinigten Deutschland die Lust auf Alleingänge ausgetrieben. Das finanz- und wirtschaftspolitische Schicksal der Deutschen sollte so fest in Europa eingebunden werden, dass eine gefährliche Dominanz verhindert werde.

Inzwischen ist Deutschland mit seiner wirtschaftlichen Potenz jedoch der Schlüssel zur Rettung von Euroland. Zwar wird die deutsche Dominanz als erdrückend bejammert - doch unser Geld nimmt man dennoch gern. Es ist das alte Problem Deutschlands: zu schwach für eine Weltmacht, aber fast zu stark für Europa. Doch nur im Verbund einer Europäischen Union kann Deutschland global wirksam sein.

Manch einer träumt sogar schon von der Rückkehr zur D-Mark und einem eigenständigen deutschen Weg. Doch das ist gefährlicher Unsinn. Deutschland hat weder die territoriale Ausdehnung noch die Bevölkerungszahl, um als Großmacht allein bestehen zu können. Um uns herum entwickelt sich eine multipolare Welt, in der Giganten wie die USA, China, Indien, Brasilien, Indonesien und andere miteinander konkurrieren. Selbst die riesige Atommacht Russland wird langfristig Probleme haben, in diesem Rennen mitzuhalten. Indem er rücksichtslos auf vordergründige nationale Größe setzt, anstatt Mängel in Politik und Wirtschaft aufzuarbeiten, tut Russlands neuer Zar Putin derzeit alles, um sein Land zu schwächen. In Moskaus Demokratur findet Deutschland bestimmt keinen verlässlichen strategischen Partner. Das sind die USA ganz sicher, aber die Amerikaner verlagern ihre Visionen und Kapazitäten zunehmend Richtung Asien. Europa wird für Washington niemals unwichtig sein, doch es wird allmählich zweitrangig.

Und das despotisch gelenkte China kann für uns allenfalls ein Handelspartner sein, zu dem man politisch Distanz hält. Überdies läuft dieses Reich Gefahr, seine Mitte zu verlieren. Die inneren Widersprüche Chinas führen zu immer stärkeren Spannungen: Eine kommunistische Ideologie, aufgesetzt auf einen rüden Kapitalismus ohne soziales Netz, fast 200 Millionen besitzlose Wanderarbeiter, eine explosionsartig wachsende Kluft zwischen Arm und Reich und eine hastig aufgeblasene Wirtschaft.

Europa ist nicht nur die geografische Heimat der Deutschen, es ist auch politisch für uns alternativlos. Gewiss - manches an der EU ist ärgerlich, und dies gilt nicht nur für die wuchernde Bürokratie. Nach mehr als 60 Jahren Musterdemokratie schlägt uns noch immer Misstrauen entgegen, ist hier und da Winston Churchills uncharmante Einschätzung noch virulent, man habe die Deutschen entweder an der Kehle oder zu Füßen.

Klar - vielen Deutschen schwillt der Kamm, wenn sie sich vorstellen, dass ihre hart erarbeiteten und brav gezahlten Steuermilliarden möglicherweise auf Nimmerwiedersehen in Staaten verschwinden, in denen es mit der Finanz- und Steuerdisziplin nicht so weit her ist. Wenn die deutsche Kanzlerin, aufgewachsen in einer sozialistischen Diktatur, in ausländischen Blättern als eine Art SS-Domina dargestellt wird, weil sie als Gegenleistung für gigantische Hilfssummen sparsames Wirtschaften und Abkehr von der Korruption verlangt, dann ist dies ebenso ungerecht wie geschmacklos.

Und doch verblassen derartige Ärgernisse vollständig in der Erinnerung an einen Kontinent, der sich Jahrhunderte lang in Kriegen zerfleischte und der Jahrzehnte lang unter dem Damoklesschwert eines Atomkrieges lebte.

Wir Deutschen haben wirtschaftlich und politisch am meisten von der europäischen Einigung profitiert - und wir würden auch am meisten bei einem Scheitern verlieren. Und die Europäische Union - das sollten wir nicht vergessen - ist trotz aller Probleme und Zänkereien eine Oase des Friedens und der Wohlstandes, um die uns große Teile der Welt glühend beneiden.