Ein Kommentar von Iris Hellmuth

Von einem "grässlichen, Angst einflößenden Virus" spricht Anna Netrebko, und aufmerksam liest man weiter, "immer wenn es kalt wird, kommt das Virus zurück". Aber nein, Anna Netrebko, russische Starsopranistin im Interview mit der "Süddeutschen", spricht nicht über Wladimir Putin, den russischen Präsidenten. Sie spricht über ein mysteriöses Husten, das sie seit den Wintermonaten heimsucht und bisweilen am Singen hindert.

Nein, über Wladimir Putin spricht Netrebko erst ein paar Zeilen später, und sie tut das mit klaren Worten: "Putin ist ein starker Mann und im Augenblick wichtig für Russland." Deshalb habe sie ihm im Präsidentschaftswahlkampf auch ihre Stimme geliehen (da war sie noch da).

Es fällt ein bisschen schwer, nach so einem Interview dankbar für das Recht auf freie Meinungsäußerung zu sein. In Deutschland darf jeder sagen, was er denkt, singen sowieso. Es gibt Länder, in denen das nicht so ist: Russland, das wissen wir seit voriger Woche, gehört zum Beispiel nicht dazu. Dort werden die Sängerinnen der Punkband Pussy Riot die nächsten zwei Jahre im Straflager verbringen.

Zwei der Sängerinnen, Maria Aljochina und Nadeschda Tolokonnikowa, haben Kinder, vier und fünf Jahre alt. Sie werden ihre Mütter weder zu ihrem Geburtstag noch zu Weihnachten zu Gesicht bekommen. Wie geht es eigentlich Ihrem kleinen Sohn, liebe Anna Netrebko?