Marinesoldat kam 1962 auf US-Flugzeugträger im Hafen an und lernte einen jungen Hamburger kennen. Jetzt trafen sie sich überraschend wieder.

Hamburg. Ab einem gewissen Alter gehen Freunde zumeist leider verloren, selten kommen neue hinzu. Bei dem Hamburger Lutz-Albrecht Ludwig, 69, aus Groß Flottbek und dem Amerikaner Bob Lockwood, 70, aus Sarasota an der Westküste Floridas verhält es sich anders: Denn die beiden Männer waren schon einmal befreundet, dann verloren sie sich aus den Augen. Jetzt, nach 50 Jahren, haben sie sich in Hamburg wieder getroffen.

Beide sind der Meinung, dass vom ersten Augenblick ihres Wiedersehens an dieser gewisse "Draht" zwischen ihnen da gewesen sei. "Ich kann mir kaum vorstellen, dass tatsächlich schon so viele Jahre vergangen sind", sagt Bob, nippt an einer eiskalten Coke und blinzelt kurz rüber zu den Polospielern, die in der sengenden Nachmittagssonne auf ihren kleinen, wendigen Pferden der Kugel nachjagen. Der Besuch auf der Anlage am Botanischen Garten ist Teil des Programms, das Lutz, der schon seit Jahren Mitglied im Hamburger Polo Club ist, für seinen amerikanischen Freund ausbaldowert hat. Dem Sport kann Bob allerdings nicht allzu viel abgewinnen. American Football sei eher sein Ding, meint er. Aber für ihn gilt einerseits "mitgefangen, mitgehangen", andererseits seien sie ja auch sechs Tage lang von früh bis spät unterwegs gewesen, in Hamburg, im Umland; sie haben auch einen Abstecher nach Berlin gemacht, haben viel gesehen und viel bestaunt und sich rundum wohl gefühlt. Da täte es mal ganz gut zu relaxen. Und ihre Ehefrauen Elisabet (Lutz) und Ruth (Bob) hätten noch einmal ausgiebig Zeit zum ratschen, denn in 24 Stunden müssen die Lockwoods ja wieder an Bord der "Queen Mary 2".

+++ Die "USS Essex" 1962 in Hamburg +++

Die Geschichte dieser Männerfreundschaft mit großer Lücke beginnt am 5. Januar 1962, als der Flugzeugträger "USS Essex", der von sechs Zerstörern, einem U-Boot und einem Tankschiff begleitet wird, an der Überseebrücke im Hafen festmacht. Der Hafengeburtstag und die Cruise Days sind noch nicht erfunden, aber dennoch stehen Zigtausende Hamburger entlang des Elbufers und bereiten dem amerikanischen Flottenverband bei klirrender Kälte einen begeisterten Empfang. Unter den 5500 Besatzungsmitgliedern des Trägers ist auch der 19 Jahre alte William Robert Lockwood, der seinen zweijährigen Militärdienst als Adjutant des Ersten Offiziers ableistet. Um die relativ neue Freundschaft und Verbundenheit zwischen den beiden Völkern zu intensivieren, hat man auf diplomatischem Wege ein ganz besonderes Besuchsprogramm ersonnen:

Hamburger Familien dürfen sich darum bewerben, einen amerikanischen Soldaten zu betreuen. "Ungefähr ein Viertel der Besatzung war daran interessiert und hat sich damals in die Liste eintragen lassen", erzählt Bob. "Am zweiten Tag wurden uns im Amerikahaus an der Moorweide unsere Gastfamilien vorgestellt." So lernen sie sich kennen, der höhere Handelsschüler Lutz und der gleichaltrige Marinesoldat Bob. "Eigentlich waren wir ja eine unpolitische Familie", sagt Lutz, "aber ich glaube, mein Vater wollte damals auch seine Dankbarkeit dafür zum Ausdruck bringen, was die Amerikaner alles für uns getan hatten. Außerdem sah er natürlich auch die Möglichkeit, mein Englisch zu verbessern."

Einen Tag Landgang, zwei Tage Borddienst, eine Übernachtung an Land ist den Soldaten verboten. Sie hätten sich auf Anhieb gut verstanden, erinnern sich beide, wohl auch, weil sie neugierig aufeinander waren und wissen wollten, wie der andere jeweils denkt, lebt und fühlt. Die deutsche Familie gibt sich alle erdenkliche Mühe, dem jungen Amerikaner ihre Heimat und die Mentalität näherzubringen. "Es war unglaublich, wie freundlich und herzlich damals alle Menschen zu mir waren", sagt Bob. Zum Abschied schenken ihm die Ludwigs einen Hamburg-Bildband mit einer persönlichen Widmung - und der Adresse in der Waitzstraße.

Mit diesem Buch in der Hand besteigen Bob und seine Frau Ruth 49 Jahre später ein Taxi am Jungfernstieg. Sie sind mit der "Queen Mary 2" aus New York nach Hamburg gekommen. "Ich wollte eigentlich nur das Haus von damals unbedingt wiederfinden. Dann las ich zu meiner Überraschung den Familiennamen am Klingelschild, aber die Ludwigs waren im Urlaub. So hinterließ ich eine Nachricht bei den Nachbarn." Der Überraschung bei der Rückkehr der Ludwigs folgen E-Mails, Telefonate und schließlich die Ankündigung aus Sarasota: "Wir kommen am 12. August 2012 wieder mit der 'Queen Mary' nach Hamburg!"

Aus den Augen, aus dem Sinn, über einen Ozean hinweg: So oder so ähnlich lautet wohl der Grund, warum so lange Funkstille herrschte. Lutz, der ein erfolgreicher Kaufmann in der Außenwerbung wurde, und Bob, der als Banker Karriere machte, können sich das nur so erklären. Und ein bisschen hört es sich danach an, dass sie es beide bereuen, nicht schon früher auf die Idee gekommen zu sein, sich gegenseitig ausfindig zu machen. Und was ist mit dem Gegenbesuch? "Mal abwarten", sagt Lutz grinsend. Bob winkt ab: "Er ist längst eingeladen." Beide Männer wissen ja, dass ein zweites Treffen in 50 Jahren eher unwahrscheinlich ist.