Mord und Totschlag im Sommerloch - wie ein Schwedenkrimi für Aufregung in den großen deutschen Feuilletons sorgt

"Wissen'S, wer gestorben ist, Herr Direktor?", soll in den 50er-Jahren der Sekretär mit aufgesetzter Trauermiene den Wiener Burgtheaterdirektor Raoul Aslan gefragt haben. Worauf dieser antwortete: "Mir is jeder recht." Eine schöne Pointe aus dem heiteren Bestiarium des Kulturbetriebs, die einem einfallen kann, wenn man die folgende Geschichte liest.

Vor zehn Tagen wusste ich noch nicht, dass in Kürze ein unter Pseudonym verfasster schwedischer Krimi ("Der Sturm") erscheinen sollte, in dem der (Kultur-)Chefredakteur der sozusagen überregionalsten deutschen Tageszeitung auf bestialische Weise ermordet und als grausam gerupfter und abgenagter Kadaver aufgefunden werden sollte. Diesen Tod soll er durchaus verdient haben. Whodunit? Wer hat es getan?

Dass ich davon nichts wusste, konnte dem Autor am wenigsten wurscht sein. Denn nicht etwa Millionen Leser sollten fiebrig vor Neugier gemacht werden, sondern alle üblichen Verdächtigen und Beteiligten des Kulturbetriebs. Also rief der Autor, Chef des anderen überregionalsten deutschen Tagesfeuilletons, einen Kollegen an, der, wie er, unter dem durch Rufmord jetzt gemeuchelten Kulturchef gelitten hatte und im Streit gegangen war: "Könntest du nicht eine autobahnbreite Spur legen, die zu meiner Autorenschaft in der Mordgeschichte führt, dass ich unseren Ex-Chef genüsslich gemeuchelt und in aller Schandbarkeit als Leiche ausgebuddelt habe?"

Das tat der im dritten überregionalsten Feuilleton Tätige. Und ich, wie 100 andere Kulturkollegen, denen jeder recht ist, lasen es mit dem der Branche eigenen boshaften Vergnügen. Nun war wieder der Rufgemordete am Zug. In der Sache befragt, sagte er lakonisch: "Ich lese keine schwedischen Krimis." Gut pariert, Löwe!

Alter Schwede!, konnte man da sagen, denn nun musste sich der Schreibtischtäter outen, aus seinem Pseudonym heraustreten und gestehen: Ich war es, aber der Ermordete, der selber schuld ist, war nicht gemeint! Nicht persönlich, höchstens ein Prototyp des Kulturbetriebs. Nach dem Motto: Mir ist jeder recht. So bleibt genug hängen, und haftbar gemacht werden kann man auch nicht.

Die Schreibtischtäterrache fiel ins Sommerloch, bekleckerte dabei aber sowohl das Opfer wie den Mörder. Wie es im Kulturbetrieb sein muss, ging es aus wie das Hornberger Schießen. Das Motiv der Geschichte ergibt sich aus dem Roda-Roda-Dialog, bei dem der Vorgesetzte seinen Stellvertreter fragt: "Leiden Sie auch so unter Blähungen?" Worauf der antwortet: "Nur unter Ihren!"

PS: Die Toten und Lebenden in der Reihenfolge ihres Auftretens: Frank Schirrmacher, Thomas Steinfeld, Richard Kämmerlings. Die Feuilletons in eben der Reihenfolge: "FAZ", "SZ", "Welt" und für diese Glosse: Hamburger Abendblatt.