Jürgen Trittin und Claudia Roth melden ihre Ansprüche auf die Spitzenkandidatur 2013 an, und die Realos wirken wie gelähmt

Zurzeit fliegen bei den Grünen die Hüte in den Ring. Als Erste hat die Parteivorsitzende Claudia Roth ihren Anspruch auf die Spitzenkandidatur bei der Bundestagswahl 2013 angemeldet, vor einer Woche zog der Fraktionsvorsitzende Jürgen Trittin nach, und in einem am heutigen Sonnabend erscheinenden Interview wagt sich nun auch Renate Künast aus der Deckung.

Und Werner Winkler gibt's ja auch noch. Den Vorsitzenden des Ortsverbands in Waiblingen, der sich selbst munter als "Alternative zu den 'Altgrünen'" bezeichnet und seine Bewerbung per E-Mail nach Berlin geschickt hat. Dieser Werner Winkler weiß zwar selbst am besten, dass seine Erfolgsaussichten gleich null sind, stellt mit seiner Kandidatur aber schon mal sicher, dass über die grüne K-Frage auf dem Parteitag Anfang September im Rahmen einer Urwahl abgestimmt werden muss.

Wie gewohnt soll es eine paritätisch besetzte Doppelspitze sein. Das Grundkriterium - Mann/Frau - würden Trittin und Roth schon mal erfüllen, aber politisch werden beide - anders als Künast - dem linken Parteiflügel zugerechnet, was die Sache dann doch etwas einseitig machen würde.

Andererseits gibt sich Jürgen Trittin jetzt schon seit Jahren Mühe, nicht mehr so ideologisch verbissen zu wirken wie in seiner Umweltministerzeit. Damals hat der alerte Bremer noch Freund und Feind vor den Kopf gestoßen. Den politischen Gegnern haute er seine Unverschämtheiten um die Ohren - dem damaligen CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer bescheinigte er, er habe "die Mentalität eines Skinheads und nicht nur das Aussehen" -, die Parteifreunde brüskierte er mit seiner Arroganz.

Am Ende hatten ihn viele satt. Als Joschka Fischer nach der Abwahl von Rot-Grün im Herbst 2005 erklärte, er werde nun "Jüngeren Platz machen", giftete Antje Vollmer: "Das gilt auch für dich, Jürgen!" Das muss schmerzhaft gewesen sein. Trittin hat damals über seinen Rückzug aus der Politik nachgedacht.

Aber er ist ja ein Langstreckenläufer. Und er ist lernfähig. Inzwischen hat man ihn sogar schon mal die einst so verhasste Nationalhymne mitsingen sehen. Auf die Frage, ob er ein Stück weit konservativ geworden sei, hat er vor Kurzem geantwortet, er habe die Bedeutung funktionierender demokratischer Institutionen schätzen gelernt. Das klang nicht enthusiastisch, aber trittinmäßig aufrichtig.

Heute ist Jürgen Trittin das unumstrittene Schwergewicht seiner Partei. Im Vergleich zu ihm ist die Kofraktionsvorsitzende Renate Künast nur eine grüne Trompete, und die beiden Parteivorsitzenden Cem Özdemir und Claudia Roth können ihm intellektuell auch nicht das Wasser reichen. Sollten die Grünen im Herbst 2013 Teil einer SPD-geführten Bundesregierung werden, dann würde Jürgen Trittin wohl das Finanzressort übernehmen.

Claudia Roth wird nachgesagt, dass sie dann gerne Außenministerin werden würde. Auffällig ist, dass die Parteivorsitzende in letzter Zeit viele Krisenherde besucht hat. Sie war in Afghanistan, im Irak und im Iran, aber auch in Syrien und sogar in Nordkorea. Zuletzt, im Juni, flog sie nach Libyen, wo sie nicht nur mit Mitgliedern der Übergangsregierung zusammentraf, sondern auch mit Menschenrechtsaktivisten und Mitarbeitern internationaler Organisationen.

Die 57-Jährige Ulmerin scheint entschlossen, sich die Butter nicht vom Brot nehmen zu lassen. Sie war es, die eine drohende Alleinkandidatur Trittins im Frühjahr unter Hinweis auf das Frauenstatut unterband. Sie könne sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie ein alleiniger Spitzenkandidat durchgesetzt werden solle, erklärte Roth im März resolut. "Mit mir als Bundesvorsitzende gibt's das nicht!"

Die spannende Frage ist jetzt, ob sich die Realos gefallen lassen, dass zwei Fundis die Spitzenkandidatur übernehmen, denn zwei linke Wahlkämpfer an der Spitze würden klar die geltende Flügelarithmetik unterlaufen. Die Realos wirken wie gelähmt. Erste defätistische Töne hört man auch schon. Der Trittin, heißt es, sei ja inzwischen quasi ein Realo ...