Zum Beispiel Hapag und HHLA: Hamburgs Schifffahrt zeigt viele Krisenzeichen

Der Schifffahrt in Hamburg geht es nicht gut. Zwei Ereignisse innerhalb von zwei Tagen zeigen das aus ganz unterschiedlichen Perspektiven. Am Montag erklärte der prominente Hamburger Großreeder Erck Rickmers überraschend, sein Mandat als SPD-Abgeordneter der Hamburgischen Bürgerschaft niederzulegen. Er begründete das damit, dass er sich wieder verstärkt um sein Reederei- und Finanzierungsunternehmen kümmern müsse - wegen der "tiefen und anhaltenden Struktur- und Finanzierungskrise in der Schifffahrt". Durch die Übernahme der Reederei Komrowski formt Rickmers' Nordcapital-Gruppe derzeit die größte deutsche Charterreederei, die Schiffe an Linienreedereien vermietet und betreibt, vor allem Containerfrachter. Durch Größe sucht er Linderung in der Krise.

Man mag Rickmers unterstellen, dass er nur einen eleganten Ausstieg aus der zeitintensiven und oft frustrierenden städtischen Politik gesucht und gefunden hat. Doch völlig unabhängig davon steckt die Schifffahrt in schwerer See. Das zeigen auch die gestrigen Ergebnisse der Vorzeigereederei Hapag-Lloyd. Das Hamburger Unternehmen, Deutschlands führende Linienreederei, erreichte für das zweite Quartal nur mit großer Anstrengung einen operativen Gewinn. Für das erste Halbjahr steht ein Verlust.

Hohe Brennstoffkosten, Überkapazitäten und unsichere Konjunkturaussichten belasten die Branche, die den Welthandel in Schwung hält. Linienreedereien und Charterreeder sind davon auf unterschiedliche Weise betroffen - aber Hamburg trifft es unter dem Strich auf jeden Fall. Denn die Hansestadt ist nach wie vor eine der Weltmetropolen für die Handelsschifffahrt. Allein gut ein Drittel der weltweit fahrenden Flotte von Containerfrachtern wird von Hamburg aus dirigiert. Es ist nicht absehbar, wie schnell sich die Branche erholt.

Erschwert wird die Lage noch dadurch, dass die Finanzbranche ihr Engagement in der Schifffahrt in jüngerer Zeit stark zurückgefahren hat. Auch in diesem Markt ist Hamburg seit Jahrzehnten besonders exponiert, mit Banken wie der HSH Nordbank und der Deutschen Schiffsbank, mit zahlreichen Emissionshäusern für die Sammlung von Anlegerkapital zur Finanzierung von Schiffen.

Die Schifffahrt lebt immer mit starken Auf- und Abschwüngen. Die aktuelle Krise weist aber einige Unterschiede zu früheren Flautezeiten auf. Die Branche leidet daran, dass vor dem Beginn der Weltfinanzmarktkrise zu viele Frachter bestellt worden waren, von denen derzeit viele ihr Geld nicht verdienen. Die Finanzbranche zieht sich aber nicht nur deshalb teilweise aus dem Schiffsmarkt zurück. Die Institute senken ihr Kreditvolumen für die Reedereien drastisch ab oder steigen ganz aus dem Geschäft aus, weil sie sich teils selbst komplett neu ausrichten müssen. Bleiben noch die enorm hohen Energiekosten für den Betrieb der Schiffe: Üblicherweise ist Öl dann besonders teuer, wenn die Weltwirtschaft boomt. Doch die wachsende Ölnachfrage vor allem der Schwellenländer, die auch den Schiffsbrennstoff verteuert, schlägt sich nicht in einem stark wachsenden Welthandel nieder. Das zeigen nicht zuletzt die pessimistischen Prognosen der HHLA für den Hafenumschlag in Hamburg.

Die Schifffahrt leidet unter einem diffusen Krisenbild. Hamburg muss sich darauf einstellen, dass die Folgen die städtische Wirtschaft auf absehbare Zeit belasten werden. Die Stadt ist mit der Branche eng verflochten, schon dadurch, dass Hamburg derzeit der größte Anteilseigner bei Hapag-Lloyd ist. Wann von der Konzernzentrale am Ballindamm wieder Dividenden an die städtische Beteiligungsgesellschaft fließen, ist derzeit ungewiss. In guten Zeiten hat die Schifffahrt Hamburg groß gemacht. Nun gilt es, die schlechten gemeinsam mit der Branche zu überstehen.

Der Autor ist Redakteur im Wirtschaftsressort des Abendblatts