Der Lektor eines Verlags saß auf meiner Terrasse und schaute freundlich in den Eppendorfer Sommer. Ich solle ihm ein Buch über das Alter schreiben. "Da gibt es doch schon so viele", wandte ich ein. "Ja, aber wir möchten, dass Sie ganz persönlich von Ihrem Altwerden erzählen." Ich erzählen? Ich bin mal gerade drei Jahre lang im Ruhestand, was kann ich mit 68 vom Alter berichten? Natürlich merke auch ich, dass Sportlichkeit, Gesundheit und Gedächtnis abnehmen, aber sollte das Alter nur aus Abbau und Verzicht bestehen? Kann es nicht auch Neues, Positives bringen? Das muss ich erst noch entdecken, darum bat ich mir Bedenkzeit aus.

"Ich werde gerne alt", schrieb der meistgelesene evangelische Theologe Jörg Zink vor 24 Jahren, da war er noch jünger als ich heute. Damals kam mir dieses Bekenntnis altklug und idealisiert, fast etwas geflunkert vor.

Heute, Monate vor seinem 90. Geburtstag, legt Zink ein neues Buch zum Älterwerden vor: "Die Stille der Zeit". Nun, nach einigen heftigen Grenzerfahrungen mit Hirnschlägen und Bypässen klingen seine Einsichten erfahrener, behutsamer, glaubwürdiger.

Sein Grundton ist weiter positiv, er empfindet Dankbarkeit, etwa für seine Kinder und Enkel, erst recht für die Frau, die schon mehr als 60 Jahre an seiner Seite ist. Gleichwohl empfiehlt er älteren Leuten das Loslassen und Einüben in eine neue Rolle. Zu akzeptieren, dass manches langsamer und mühsamer wird. Zu entdecken, dass es nicht nur einen Abschied, sondern auch einen Neuanfang gibt.

Auch ich will tiefere Einsichten in das Leben gewinnen, die mich hörender, gütiger, weiser machen. Gelassen darauf vertrauen, dass "alles vergehet, Gott aber stehet." Bedenken, dass wir sterben müssen und auf seine Ewigkeit zugehen, auf die Zeitstille, wie Zink sie nennt. Ja, das könnte ein lohnendes Ziel sein.

Unlängst klingelte das Telefon, der freundliche Lektor brachte sich wieder in Erinnerung: "Was machen Ihre Überlegungen zum Altwerden?" Ja, was machen die? Sie gehen noch weiter, meine Bedenkzeit ist noch nicht vorbei. Ich bat ihn um Geduld, denn auch die gehört zum Altwerden.

hwestphal@anderezeiten.de

Pastor Hinrich C. G. Westphal ist Vorsitzender des Vereins Andere Zeiten