Neustadt. Eine Spülbürste ist schwerlich mit einer Kommode zu verwechseln. Und eine Servierschüssel nicht mit einem Regal. Da kommt man doch arg in Erklärungsnot, um das schönzureden. "Ich weiß auch nicht, wie das passieren konnte", bemüht sich der Angeklagte. Und spricht von "eventueller Manipulation" oder "möglichen technischen Problemen", die ohne sein Zutun zu dem bedauernswerten Irrtum bei seinem Einkauf beim Einrichtungsriesen Ikea geführt haben könnten.

Die Staatsanwaltschaft hat da doch eine sehr viel pragmatischere Erklärung. Sie geht davon aus, dass Paul A. (Name geändert) die Möbel schlichtweg nicht bezahlen und mit einem Trick an der Kasse vorbeischmuggeln wollte.

Versuchter Diebstahl wird dem 39-Jährigen vor Gericht vorgeworfen. Das Amtsgericht hatte ihn wegen des Vorfalls bereits verurteilt, in der Berufungsverhandlung versucht der Hamburger, einen Freispruch zu erzwingen. Es war im Dezember vergangenen Jahres, als der Mann bei Ikea einkaufte und sich mit voll beladenem Einkaufswagen an einer der Expresskassen anstellte, bei der der Kunde die Waren selber einscannt. Auf einem Video, das den Kassenbereich filmt, sind acht großformatige Pakete zu sehen. Doch auf seinem Bon erschienen nahezu keine Möbel, sondern vor allem kleinere, sehr günstige Artikel, von denen keiner in seinem Einkaufswagen zu entdecken war. Auf dem Kassenzettel sind insbesondere zwei Spülbürsten zu je 99 Cent vermerkt und eine Servierschüssel für 2,99 Euro. "Wie kommen die auf den Bon?", will der Richter wissen. "Die habe ich nicht gekauft", wehrt der blonde, etwas schlaksige Angeklagte ab.

Die Artikel auf seinem Wagen seien für seine Eltern bestimmt gewesen, seine Schwester habe mit ihm eingekauft und sich gleichzeitig an einer anderen Kasse angestellt. Beide hätten sie nicht so sehr intensiv auf ihre Einkäufe geachtet. "Mein Wagen stand vorher einige Minuten unbeobachtet, vielleicht ist da manipuliert worden", schlägt der 39-Jährige vor. Denkbar sei vielleicht auch ein Software-Fehler, ergänzt er.

Der Richter hat noch eine andere Erklärung. Auf einem Überwachungsvideo ist zu erkennen, wie der Angeklagte beim Hantieren mit der Scan-Pistole "aus einer Hand ein Kärtchen zaubert und beim Scannen vor die Kartons hält", erläutert er die Bilder. "Vielleicht war auf dem Zettel ja der Code der Spülbürsten drauf, der statt der Möbel erfasst werden sollte", mutmaßt der Richter. Mitnichten, kommentiert Paul A. Auf dem Zettel hätten sich lediglich Maßangaben für ein Zimmer seiner Eltern befunden. Wieso trotzdem ein grünes Licht einen erfolgreichen Scanvorgang kennzeichnen könne, dafür gehen ihm trotz verzweifelter Bemühungen die Erklärungen aus.

"Es ist doch ein Monitor da", hakt einer der Schöffen nach. "Da guckt man doch drauf, ob da Spülbürste steht oder zum Beispiel Billy-Regal. Das merkt man doch." Dass da jedenfalls beileibe nicht alles mit rechten Dingen vor sich ging, war für eine der Kassiererinnen nur zu auffällig. Das Personal überprüfe auch an den Selbstbedienungskassen intensiv, ob alles eingescannt wurde, was sich auf dem Einkaufswagen befinde, erläutert die 30-Jährige als Zeugin. Paul A. habe etliche Möbelpakete gehabt, aber der Bon habe eben vor allem kleine und günstige Artikel ausgewiesen. "Es gibt Kunden, die Barcodes überkleben", doch das falle bei der Kontrolle auf. Und auf dem Video habe sie ebenfalls gesehen, wie er stets einen Zettel vor den Scancode der Pakete gehalten habe. "Ich habe beobachtet, wie er dann den Zettel einer Frau, die wohl zu ihm gehörte, in die Tasche steckte." Doch als seine Schwester, die ihn begleitet hatte, wenig später überprüft wurde, war der Zettel nicht mehr zu finden. Paul A. habe noch versucht, sie mit der Behauptung einzuschüchtern, er sei Anwalt, erzählt die Zeugin weiter. Doch bei versuchten Diebstählen werde stets die Polizei alarmiert.

So geht der Versuch, doch noch mit einem Freispruch davonzukommen, für den Angeklagten ins Leere. 720 Euro Geldstrafe wegen versuchten Diebstahls lautet das Urteil für den arbeitslosen Ex-Angestellten. "Sie haben die Kartons mit Möbeln nicht eingescannt, sondern andere Codes, die sie vorher von Spülbürsten und Servierschüsseln abgelöst haben", erläutert der Vorsitzende Richter.