Ein Kommentar von Sven Kummereincke

Der Unterschied zwischen guten und großen Sportlern liegt nicht im Leistungsvermögen. Es ist der Unterschied zwischen Silke Spiegelburg und Robert Harting. Zwischen der Vierten im Stabhochsprung und dem Olympiasieger im Diskuswurf.

Spiegelburg war mit 19 Juniorenweltrekordlerin, vor nicht einmal drei Wochen verbesserte sie den deutschen Rekord auf 4,82 Meter. Die Goldmedaille in London ging für 4,75 Meter weg. Harting hält keine Rekorde.

Spiegelburg wollte "bloß nicht Vierte werden"; Harting wollte Gold, "und wenn es mich in den Rollstuhl bringt".

Silke Spiegelburg hatte noch zwei Versuche, als sich drei Konkurrentinnen mit übersprungenen 4,70 Meter an ihr vorbeigeschoben hatten. Ihr Wettkampf war bis 4,65 Meter makellos gewesen. Als sie dann anlief, war ihr anzusehen, wie sehr sie der Gedanke ans Scheitern beschäftigte. Sie riss die Latte - und brach in Tränen aus. "Warum immer ich? Warum schon wieder Vierte?"

Als Robert Harting noch zwei Versuche hatte, lagen zwei Konkurrenten vor ihm. Sein Wettkampf war mäßig gewesen, mit kleinen Fehlern behaftet. Als er in den Ring ging, war ihm anzusehen, wie sehr er diesen Sieg wollte. Er warf keineswegs perfekt, aber er warf 68,27 Meter - Gold.

Harting hatte sich selbst nur zwei Möglichkeiten offengelassen: Held oder Depp. Über alle Medien hatte er immer wieder verbreitet: Als Zweiter ist man erster Verlierer. Bei ihm wurde nicht auf den Olympiasieg gehofft, er wurde erwartet.

Spiegelburg ist eine gute Sportlerin. Harting ist ein Großer.