Der Staat kassiert so viel wie nie. Wenn das nicht reicht, warum wird dann nicht der teure Militäreinsatz am Hindukusch gestrichen?

Die erregte Steuerdebatte auf der linken Seite des politischen Spektrums erweckt den Eindruck, als stehe Deutschland unmittelbar vor dem Konkurs. Als könne nur noch eine Teilenteignung vermögender Bürger dieses Land retten. Da fordern Kräfte von SPD, Linken und Grünen im Chor, die Steuern auf Einkommen, Kapitalerträge, Vermögen und Erbschaften zum Teil drastisch zu erhöhen. Da wird gar eine zehnprozentige Zwangsanleihe auf Besitz ins Gespräch gebracht, die rund eine Viertelbillion Euro erbringen - und später zurückerstattet werden soll. Kann sich irgendjemand vorstellen, dass der Staat, sagen wir nach zehn Jahren, bereitwillig 250 Milliarden Euro aus der Kasse nimmt und brav zahlt?

Die Forderungen nach Steuererhöhungen kommen just zu einem Zeitpunkt, an dem der Staat so viel einnimmt wie wohl nie zuvor. In diesem Jahr werden es fast 600 Milliarden Euro sein, die die Bürger abliefern. Deutschland hat hohe Schulden, das ist richtig. Warum aber leisten wir uns dann seit zehn Jahren einen milliardenteuren Militäreinsatz am Hindukusch, wo unser Land gar keine nationalen Interessen hat? Dass Deutschland überdies Hunderte Milliarden Euro bereitstellt, um Länder zu retten, deren Notlage teilweise auf Korruption, Steuerflucht, Desorganisation und vor allem dem Verschleppen jener harten Reformen beruht, die wir längst hinter uns gebracht haben, mag währungspolitisch richtig und notwendig sein - kann aber kein Argument dafür sein, dem Hochsteuerland Deutschland noch mehr Lasten aufzubürden.

Das Schlagwort zum Thema Steuern lautet "Gerechtigkeit". Doch schon jetzt zahlen Gutverdienende einen weit überproportionalen Anteil am Steueraufkommen, und schon seit 2007 zahlen Spitzenverdiener zusätzlich drei Prozent "Reichenzuschlag" - womit allein ihre Steuerbelastung auf 45 Prozent steigt. Plus Abgaben.

Wenn jemand hart arbeitet und entsprechend gut verdient, hat er zwei Möglichkeiten: Er kann sein Geld verprassen. Oder es gut anlegen und damit zum Wohlstand des ganzen Systems beitragen. In diesem Fall aber soll er auf das bereits heftig versteuerte Vermögen noch einmal erhebliche Steuern zahlen. So sieht also Gerechtigkeit aus.

Einige Politiker tun zudem so, als wären große Erbschaften hierzulande kaum Steuern unterworfen. Der Steuersatz für Kinder bei Vermögen über 600 000 Euro beträgt bereits 19 Prozent, für Geschwister 30 Prozent. Bei richtig großen Vermögen steigen die Sätze auf 30 bzw. 43 Prozent. Für andere Erben sind es dann sogar 50 Prozent. Und das ist immer noch nicht genug?

Nun kann man die Grundsatzfrage stellen, ob Erbschaftssteuern überhaupt gerechtfertig sind, denn welches Anrecht sollte der Staat eigentlich auf bereits satt versteuerte Vermögen haben, die privat von den Eltern an die Kinder weitergegeben werden? In jüngster Zeit melden sich Stimmen zu Wort, die allen Ernstes behaupten, die Gesellschaft habe ein Anrecht auf diese Vermögen, da sie auch unter Mitwirkung der Gesellschaft entstanden seien. Das ist eine absurde Argumentation, die die individuelle Lebensleistung eines Menschen entwertet.

Die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht will das Erben in Deutschland nur noch in begrenztem Umfang ermöglichen; große Vermögen sollen über einen relativ geringen Betrag gar mit 100 Prozent besteuert werden. Am Ende eines erfolgreichen Arbeitslebens wird dann also die erwirtschaftete Lebensleistung eines Menschen vom Staat weitgehend einkassiert. Es ist das alte Prinzip Sozialismus, das bekanntlich so spektakulär gescheitert ist. Das individuelle Streben nach Wohlstand und nach Besserstellung der Kinder gehört aber zu jenen starken Antriebskräften, die marktwirtschaftlich organisierte Staaten so erfolgreich gemacht haben.

Damit sei aber keinesfalls jenen völlig überzogenen Managergehältern das Wort geredet, die eher eine Pervertierung einer sozialverantwortlichen Marktwirtschaft darstellen, da sie in keinem gesunden Verhältnis mehr zu ihrer Umgebung stehen.

Nicht Steuererhöhungen sind das Gebot der Stunde, sondern das Schließen jener Schlupflöcher bis hin zu dubiosen Stiftungen, mit denen manche Vermögende ihr Geld dem Fiskus entziehen. Das wäre gerecht.

Abendblatt-Chefautor Thomas Frankenfeld greift an dieser Stelle jeden Donnerstag ein aktuelles Thema auf