Wir sind es gewohnt, für Schulden Verantwortung zu übernehmen, sagt der Hamburger Unternehmer. Für die Euro-Rettung gilt das nicht

Die Hilfe von rund 22,4 Milliarden Euro an Griechenland werde ein einmaliger Sündenfall bleiben, die Krise sei temporär, so hieß es Anfang Mai 2010. Zweieinhalb Jahre, Dutzende rote Linien und Hunderte Milliarden Euro später wissen wir, dass es der Einstieg sein sollte in einen Rettungsteufelskreis. Und die Krise spitzt sich weiter zu. Vertragsbrüche, Drangsalierung des Parlaments und Ignorieren ökonomischer Prinzipien wurden in Kauf genommen, um was eigentlich zu erreichen? Die Rettung von Staaten und Menschen in Not, des Euro oder von vermögenden Investoren und Banken? Das Beispiel der spanischen Bankenhilfe illustriert dies besonders deutlich.

Der Bundestag und die europäischen Finanzminister haben mit großer Mehrheit Finanzhilfen in Höhe von 100 Milliarden Euro für die Rekapitalisierung spanischer Banken bewilligt. Seit den späten 90er-Jahren hatte sich eine Immobilienblase entwickelt, deren Platzen die spanischen Geldhäuser arg getroffen hat. Die Krise wurde befeuert von einer Politik des lockeren Geldes durch die oft von Lokalpolitikern beaufsichtigten staatlichen Sparkassen und seit Einführung des Euros durch niedrige Zinsen. Bauunternehmer, Makler und Spekulanten aus Spanien und Europa hatten daran verdient, ebenso die örtlichen Banken. Mit der Krise kommt die Reaktion: Baubetriebe und Handwerker schließen und entlassen Personal, und Spanien weist eine Jugendarbeitslosigkeit von fast 50 Prozent auf!

Mit der Santander gibt es in Spanien nur eine systemrelevante Bank. Diese steht aber gut da und benötigt keine Geldspritzen. Die Sparkassen - allesamt ausdrücklich nicht systemrelevant und damit nicht in der Lage, das gesamte Finanzsystem in Spanien oder gar Europa zu gefährden - sollen nun rekapitalisiert werden. In der Realwirtschaft würden in dieser Situation Gläubiger, Gesellschafter und Mitarbeiter des von der Abwicklung bedrohten Unternehmens einen Beitrag leisten. Dies ist hier aber nicht geplant, obwohl es zuletzt auch von EZB-Chef Mario Draghi eingefordert wurde.

Mit den jetzigen Hilfen kommt es einmal mehr zur Entkopplung von Haftung und Risiko: Sie sind in Wahrheit Hilfen für Bankgläubiger und die Inhaber der Banken. Sie schaffen kein Wachstum und bekämpfen ebenso wenig die hohe Arbeitslosigkeit. Es wird stattdessen dafür gesorgt, dass Gläubiger und Investoren ihre Verluste sozialisieren. In einer Marktwirtschaft ist das systemwidrig.

Auch ist nicht eindeutig geregelt, in welcher Form Geld an spanische Banken fließen soll. Richtig wäre in jedem Fall, für die Hilfsgelder Anteile an den Banken zu erwerben (Debt/equity swap). Dies ist bisher jedoch nicht eindeutig so vorgesehen.

Der Bundestag musste unlängst innerhalb von drei Tagen eine Entscheidung über 100 Milliarden Euro fällen: In diesem Zeitraum können 139 gedruckte Seiten komplexer finanzpolitischer Materie von den Abgeordneten nicht intellektuell durchdrungen und umfassend mit Experten diskutiert werden. Es ist zutiefst fragwürdig, dass in so knapper Zeit ein Paket von äußerster Tragweite beschlossen wird. Dabei bestünde bis Ende August Zeit und Ruhe, um das Paket umfassend zu prüfen, abschließend zu verhandeln und öffentlich zu diskutieren. Bis Ende Juli wurde das Geld nicht gebraucht, der Hauptteil wird überhaupt erst ab September an die Banken weitergeleitet. Der Zeitdruck, den die europäischen Finanzminister aufbauten, würgt jede öffentliche Diskussion ab. Das demokratische Prinzip nimmt Schaden.

Als Familienunternehmer betrachten wir diese Prozesse mit sehr großer Sorge. Für uns gehören Haftung und Risiko zusammen. Wir sind es gewohnt, für unsere Schulden Verantwortung zu übernehmen und als ehrbare Kaufleute eine Vereinbarung auch einzuhalten, wenn es unbequem ist. Wir erwarten von unseren Abgeordneten, dass sie sich nicht zuvorderst den Finanzmärkten verpflichtet fühlen, sondern den steuerzahlenden Wählern, dass sie ihre Aufgabe als Parlamentarier ernst nehmen sowie Alternativen zu Regierungsvorschlägen entwickeln und in die Öffentlichkeit tragen. Wir wünschen uns ein freies, prosperierendes und friedliches Europa in Vielfalt - hierzu leisten die spanischen Bankenhilfen keinen Beitrag. Sie haben ihr wesentliches Ziel, die Beruhigung der Finanzmärkte, nicht erreicht: Nach drei Tagen war die Wirkung dahin. Sollten wir nur dafür 100 Milliarden Euro bezahlen?