Der Gewerkschafter warnt vor den Folgen, wenn immer mehr Firmen Ruheständler zurück an ihren früheren Arbeitsplatz holen

Da entwickelt sich scheinbar ein neuer Trend: Bei Firmen wie Airbus, BMW, Bosch, Budnikowsky, Daimler, Otto oder Volkswagen werden häufiger ehemalige Mitarbeiter beschäftigt. Immer wieder erfolgen solche Maßnahmen inzwischen unter dem Hinweis auf den Fachkräftemangel. Soll diese Lücke also durch "Rentnerrecycling" bekämpft werden?

Diese Entwicklung sehe ich mit einiger Sorge! Klar, ältere Arbeitnehmer verfügen über einen großen Erfahrungsschatz und können so ihren ehemaligen Arbeitgebern im Sinne des Diversity Managements helfen. Es ist auch gar nichts dagegen einzuwenden, wenn diese Unterstützung zum Beispiel bei vorübergehenden Engpässen in Anspruch genommen wird. Man muss sich jede Einzellösung ganz genau anschauen. In meinen Augen gibt es aber viele Maßnahmen, die eine solche Rückholaktion überflüssig machen.

Es ist schwer zu verstehen, warum in manchen Firmen Ehemalige rekrutiert werden und gleichzeitig eine große Anzahl von Menschen vorzeitig in Rente geht. Von den 60-Jährigen sind heute bundesweit noch rund 38 Prozent in einer regulären sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung. Bei den 62-Jährigen sind es noch knapp 29 Prozent.

Viele Beschäftigte scheiden vorzeitig aus ihren Jobs aus. Aus gesundheitlichen Gründen oder weil sie aussortiert und von Jüngeren verdrängt werden. Viel zu oft fehlt es Unternehmen an Strategien für altersgerechtes Arbeiten. Um Arbeitnehmer länger im Betrieb zu halten, braucht es gezielte Maßnahmen im Gesundheitsschutz, bei der Ergonomie und angepassten Arbeitsabläufen.

Ein weiteres Aktionsfeld: In der Frauenbeschäftigungsquote liegt Deutschland im europäischen Vergleich noch immer weit hinten. Fast ein Fünftel aller Facharbeiter in Deutschland sind übrigens unterhalb ihrer erworbenen Qualifikation beschäftigt, hat eine Studie der Universität Hohenheim im Auftrag der IG Metall Baden-Württemberg ergeben. Warum bekommen diese Beschäftigten nicht die qualifizierten Tätigkeiten angeboten, die in manchen Firmen jetzt von Rentnern ausgeführt werden?

Sehr wichtig: Die erforderliche regelmäßige Weiterbildung - gerade bei Älteren - wird noch immer vernachlässigt, wie zuletzt der Fortschrittsreport "Altersgerechte Arbeitswelt" der Bundesregierung gezeigt hat. Gute Aufstiegschancen schaffen außerdem Luft in der Arbeitspyramide eines Unternehmens. Es ist wie bei einem Fahrstuhl: Für jeden, der hochfährt, passt unten wieder einer mehr durch die Tür. Das bietet Perspektiven für die Jungen.

Bemerkenswert: Nach einer DGB-Umfrage weiß auch heute ein Drittel der Auszubildenden im letzten Lehrjahr nicht, ob sie übernommen werden. Viel zu viele bekommen nur einen befristeten Job angeboten.

Aus einem weiteren Grund bereitet mir diese Diskussion Bauchschmerzen: Auch die Leiharbeit sollte zunächst ein Instrument sein, um Auftragsspitzen besser abfedern zu können. Inzwischen verdrängt die Zeitarbeit vieltausendfach reguläre Arbeit und wird zum Lohndumping missbraucht.

Ähnliches könnte sich mit den Rentnern abspielen. Schon jetzt leben viele von ihnen von mickrigen Renten. Nach Angaben der Rentenversicherung liegt die Durchschnittsaltersrente für Männer in Hamburg bei 909 Euro, für Frauen bei 597 Euro. Nur eine Minderheit konnte und kann privat vorsorgen.

Nun will die Bundesregierung die Rentenbeiträge aber sogar noch absenken und damit die Alterssicherung weiter gefährden. Das wird dazu führen, dass immer mehr Menschen vor einer schrecklichen Alternative stehen: trotz Rente arbeiten zu müssen oder staatliche Unterstützung zu beantragen.

Was wir brauchen, ist eine Rentenpolitik, die verhindert, dass diese Notlage für viele alte Menschen zur bitteren Realität wird.

Für manche Unternehmen wird die Versuchung sonst zu groß, sich lieber bequem am Heer erfahrener, aber billiger Rentner zu bedienen, anstatt in das zu investieren, was wirklich notwendig ist: nämlich Ausbildung und Weiterbildung in ihren Betrieben.