Der Streit um die versuchte Ausflaggung der MS “Deutschland“ zeigt: In der Branche liegt einiges im Argen

Es war eine gute Nachricht, wie man sie nicht alle Tage bekommt. Die MS "Deutschland", das Traumschiff aus der gleichnamigen ZDF-Seifenoper, wird weiter unter schwarz-rot-goldener Flagge über die Weltmeere fahren. Der Kampf um die "Deutschland", vor der Olympia-Kulisse in London ausgetragen, war ebenfalls filmreif: Dabei beharkte sich der mutige Hamburger Kapitän Andreas Jungblut in der Hauptrolle mit, natürlich, einem Finanzinvestor in der Rolle des Schurken. Auch die Nebenrollen waren mit dem Bundespräsidenten Joachim Gauck und diversen Politikern als Statisten glänzend besetzt. Schließlich musste ausgerechnet die "Heuschrecke" Aurelius als Eigner der Reederei Peter Deilmann einlenken - die MS "Deutschland" bleibt vorerst unter deutscher Flagge, Malteserfahnen werden vielleicht nach Schnapsgenuss an der Schiffsbar wehen - nicht aber über dem Traumschiff.

Und doch war die Ausflaggung Richtung Malta mehr als eine Schnapsidee von renditehungrigen Heuschrecken. Denn während sich die halbe Nation über die Ausflaggung der MS "Deutschland" empört, jubelt sie anderen Billigflaggen begeistert zu. Ja, in Hamburg werden die Fahnenflüchtigen geradezu hofiert - wenn Cruise Days sind, spielt das Schiffsregister keine Rolle. Und auch das oftmals finanzstarke Kreuzfahrtpublikum interessiert sich sehr für die weite Welt, aber offenbar wenig für die Entlohnung an Bord.

Die große Aida-Flotte schippert immerhin unter italienischer Flagge - der Eigner Costa Crociere ist als italienisches Unternehmen heimatverbunden. Die TUI-Tochter Hapag-Lloyd mag man für eine Hamburger Gesellschaft halten, beim Schiffsregister endet die Heimatliebe. Obwohl die Schiffe Namen wie "Europa", "Hanseatic" oder "Bremen" tragen, sind sie auf den Bahamas gemeldet. TUI Cruises lässt "Mein Schiff 1" und "2" - ganz unbemerkt - unter maltesischer Flagge fahren.

Vor zwei Monaten taufte Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit die ehemalige "C. Columbus" auf den Namen "Hamburg". Steckt dahinter die Liebe des Bremer Charterers Plantours & Partner zur größeren Hansestadt? Wohl kaum, denn das Schiff ist unter der Flagge der Bahamas unterwegs - und da gab es leider schon eine "Columbus".

Die Sehnsucht nach den Billigflaggen war auch bei der MS "Deutschland" groß: Gleich zwei Deilmann-Geschäftsführer wollten die Entscheidung gegen den Registerwechsel der "Deutschland" nicht mittragen. Ihre Argumente sind nicht ganz von der Hand zu weisen: Die Lohnkosten sind unter deutscher Flagge deutlich höher, die Auflagen strenger - Dinge, die Reisende interessieren sollten. Indes: Die Reederei Peter Deilmann hatte stets mit der deutschen Kreuzfahrttradition geworben - und ging trotzdem in die Insolvenz. Nun nimmt die Reederei die Bundesregierung in die Pflicht und fordert gleiche Rahmenbedingungen - auf Deutsch: Geld. Da könnte es sich rächen, dass der Koordinator der Bundesregierung für die maritime Wirtschaft, Hans-Joachim Otto (FDP), sich im Streit besonders laut für die deutsche Flagge starkgemacht hat. Er wird nun liefern müssen.

Nur ist es nicht Aufgabe des Staates, sich auf einen Förderwettlauf einzulassen oder etwaige Kostennachteile zu kompensieren. Nach Überlegungen der Reederei Deilmann sollen nun die Kunden zur Deckung der Mehrkosten um einen freiwilligen Zuschlag von drei Prozent des Reisepreises gebeten werden - es dürfte spannend werden, ob die Lippenbekenntnisse vieler Reisender bis zur Brieftasche reichen. Oder ob bald doch dort die Flagge Maltas weht.

In der Vergangenheit hat die Branche stets knallhart kalkuliert: Beim Essen auf dem Panoramadeck wurde selten gespart, einige Etagen weiter oben dafür umso konsequenter: In den Schornsteinen gibt es weder Rußfilter noch Katalysatoren, zudem wird meist schwefelhaltiges Schweröl verbrannt. Der Naturschutzbund Nabu hat 2011 der gesamten Branche den Titel "Dinosaurier des Jahres" verliehen. Und vorgerechnet, dass ein Ozeanriese auf einer Kreuzfahrt so viele Schadstoffe ausstößt wie fünf Millionen Pkw auf der gleichen Strecke. Hamburg - ohnehin mit seiner Luft nicht im Reinen - sollte mal genauer hinschauen.

Immerhin bewegt sich etwas. Der Senat will Landstrom forcieren, Hapag-Lloyd schickt 2013 das weltweit erste Kreuzfahrtschiff mit Stickoxidkatalysator auf die Reise. Bis zur Postkartenherrlichkeit, wo porentief reine weiße Schiffe mit glücklichen Besatzungen durch azurblaues Meer schippern, ist es aber noch ein weiter Weg.

Matthias Iken beleuchtet in der Kolumne "Hamburger KRITiken" jeden Montag Hamburg und die Welt