Behörde spricht intern von nicht kalkulierbaren Kosten. Frist für den EU-Grenzwert nicht haltbar. Millionenschwere Geldstrafen möglich.

Hamburg. Die Luft wird dünn für die Hamburger Umweltbehörde (BSU): Seit Jahren liegt die Schadstoffbelastung durch Stickstoffdioxid in der Hamburger Innenstadt deutlich über dem von der EU-Kommission festgeschriebenen Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Nach Abendblatt-Informationen geht der Senat inzwischen aber davon aus, dass die Luftqualität in Hamburg innerhalb der von der EU gesetzten Fristen nicht ausreichend verbessert werden kann. Für diesen Fall drohten der Stadt nicht mehr kalkulierbare Kosten, heißt es in internen Einschätzungen der Umweltbehörde.

Schon Mitte des vergangenen Jahres hatte die Stadt einen Antrag auf Fristverlängerung bei der EU-Kommission eingereicht, um einen Aufschub für die Einhaltung der Werte bis Januar 2015 zu bekommen. Intern ist jedoch bekannt, dass auch diese Frist nicht eingehalten werden kann. Das kann millionenschwere Geldstrafen nach sich ziehen: Bei EU-Vertragsverletzungen ist mit Tagessätzen zu rechnen, die durchaus eine sechsstellige Höhe erreichen können. Zudem sind Klagen von Umweltverbänden und Bürgern möglich.

Seit Januar 2010 sind die Länder innerhalb der EU gesetzlich verpflichtet, die Verschmutzung der Luft mit Stickoxiden einzudämmen. Messungen in der Hamburger Innenstadt ergeben jedoch, dass die Belastung in Stadtteilen, in denen insgesamt etwa 220 000 Menschen leben, massiv überschritten wird. Es ist medizinisch nachgewiesen, dass sie besonders bei Kindern zu Asthma und bei älteren Menschen zu Herz-Kreislauf-Problemen führen kann.

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In der Max-Brauer-Allee lag der Jahresmittelwert für 2011 bei 67 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter, im April dieses Jahres wurde dort sogar eine Belastung von 74 Mikrogramm gemessen. Sie ist damit fast doppelt so hoch wie nach EU-Recht erlaubt. Nur in Stuttgart und München war die Belastung der Luft mit Stickoxiden nach bisher vorliegenden Vergleichszahlen noch höher. Hauptverantwortlich für die hohe Luftbelastung ist der starke Autoverkehr in der Innenstadt, zum Teil aber auch der Schiffsverkehr. "Das Problem der erhöhten Werte ist uns absolut bekannt", sagt Frank Krippner, Sprecher der Umweltbehörde. "Wir nehmen es sehr ernst." Völlig ungewiss sei aber, wann es eine Antwort der EU-Kommisson auf die Hamburger Bitte um Fristverlängerung gebe.

Frank Krippner verweist auf das gerade erst auf den Weg gebrachte Busbeschleunigungs-Programm oder die sogenannte Luftgütepartnerschaft - ein Zusammenschluss der Wirtschaftsbehörde, der Handels- und Handwerkskammer und der BSU -, die dazu beitrügen, die Schadstoffbelastung zu senken. Ein Allheilmittel, das die Belastung auf einen Schlag massiv senke, gebe es jedoch nicht.

Die Umweltverbände werfen der Hamburger Verwaltung dagegen Versäumnisse vor. "Seit 2004 ist dem Senat bekannt, dass Hamburg ein riesiges Problem hat", sagt Manfred Braasch, Geschäftsführer des BUND Hamburg. "Nur mit Maßnahmen wie einer City-Maut oder der Stadtbahn können die Werte in den Griff bekommen werden." Braasch kündigte eine Klage für den Fall an, dass Hamburg "nicht angemessen reagiert". Damit kämen die Umweltverbände ihrem Ziel einer City-Maut näher, die der SPD-Senat bisher stets abgelehnt hatte.