Spätestens mit dem Ende der Schulferien hat uns der Arbeitsalltag wieder. Was im Rhythmus der Ferien selbstverständlich war, steht plötzlich wieder auf der Kippe: das allmorgendliche Zeitunglesen, das Draußensein, regelmäßig zusammen zu kochen und zu essen, Sport zu treiben. Ganz zu schweigen davon, dass es möglich war, länger und intensiv mit der Familie und Freunden zu sprechen.

Wie kann es gelingen, uns wenigstens einige dieser Kraftquellen der Urlaubstage zu bewahren? Nicht gleich schon wieder alles zu vernachlässigen, was einen eben noch erfüllte und stärkte, weil jetzt wieder die Pflicht ruft? In der Sammlung alter Spruchweisheiten der Bibel findet sich der Rat: "Behüte dein Herz mit allem Fleiß, denn daraus quillt das Leben." (Spruch 4,23)

Das Herz gilt uns als Inbegriff und Sitz der Liebe, Gefühlsregungen und Empfindungen. Das war nicht immer so. Denn nach biblischem Verständnis galt das Herz als die zentrale innere Instanz unseres Menschseins. Es wurde als Ort angesehen, an dem unsere Gedanken, unser Planen und Wollen miteinander ringen und unsere Persönlichkeit formen. Heute würden wir diese Prozesse wohl eher im Kopf eines Menschen ansiedeln. In der hebräischen Sprache jedoch gibt es kein Wort für "Gehirn". Das Herz ist Sitz des Verstandes.

So erinnert uns die biblische Weisheit, unser Herz mit Fleiß zu behüten, auch daran, nicht nur auf unsere Gefühle, sondern auch auf unser Denken und Handeln zu achten. Für das eigene seelische Wohlbefinden und einen klaren Kopf zu sorgen, fühlt sich darum nicht nur gut an, sondern ist überaus vernünftig. Nur wie kann es uns gelingen, dieser Einsicht im Alltag zu entsprechen? Vielleicht liegt der Schlüssel dazu in der Disziplin, die uns beruflich so selbstverständlich ist, die uns im Blick auf unsere Gefühle und Gedanken aber häufig fehlt.

Der 1991 verstorbene katholische Kardinal Franz Hengsbach empfahl einst eine Gewissenserforschung: "Habe ich ohne wichtigen Grund eine Sitzung besucht? Habe ich ohne wichtigen Grund zu einer Sitzung eingeladen? Habe ich ohne wichtigen Grund durch eine Wortmeldung eine Sitzung verlängert und somit mich und andere von der Familie ferngehalten?" Er stellte damit das soziale und emotionale Leben gleichberechtigt neben das Berufliche. Jedem von uns werden spontan noch ganz andere Fragen einfallen, die uns helfen, uns "herzlich" zu disziplinieren. Darum: "Behüte dein Herz mit allem Fleiß, denn aus ihm quillt das Leben."

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