Wären Rauchbomben explodiert, hätten viele Menschen Brandverletzungen erleiden können. Angeklagter schweigt vor Amtsgericht.

Hamburg. Sein Verteidiger stellt den Zeugen eine ganze Reihe von Fragen, die entscheidenden Fragen nach dem Wie und dem Warum beantwortet sein Mandant selbst leider nicht. Martin S., 30, zieht es vor zu schweigen.

Mit seinem Komplizen Torben T., 22, soll der 30-Jährige im Februar 2011, vier Tage vor dem Lokalderby zwischen dem HSV und dem FC St. Pauli, drei Rauchgranaten im Fanblock des FC. St. Pauli deponiert haben. Ihr Ziel: die Demütigung der gegnerischen Fans. Zwei Minuten vor dem Anpfiff sollten die Bomben hochgehen, der freigesetzte Rauch sollte die St.-Pauli-Anhänger in die HSV-Vereinsfarben Schwarz-Blau-Weiß einhüllen. Wären die Rauchbomben explodiert - nach Angaben von Ermittlern hätten zahlreiche Menschen in dem voll besetzten Stadion schlimme Brandverletzungen erleiden können. Doch die Granaten wurden rechtzeitig entdeckt, zudem wurde das Spiel wegen Dauerregens ohnehin kurzfristig abgesagt.

Der Komplize von Martin S. ist bereits im Februar 2012 zu 14 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden, seit gestern muss sich auch der 30-Jährige wegen "Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion" verantworten. An mehreren Teilen der Bombenkonstruktion hatten Ermittler seine genetische Spuren entdeckt - allerdings wurde das erst durch ein Gutachten in der ersten Verhandlung bekannt.

+++ Rauchbomben im HSV-Stadion - Anklage gegen 22-Jährigen +++

Überhaupt ist die aktuelle Verhandlung mit der ersten fast identisch: Den Vorsitz hat derselbe Altonaer Amtsrichter, die selben Zeugen treten auf. Und so wie der bereits verurteilte Torben T., Spitzname "Redhead", schweigt auch der hochgewachsene Mann mit den kurzen, nach vorn gegelten blonden Haaren zu den Vorwürfen.

Jens D., 43, sagt erneut zuerst aus. Der Stadionmitarbeiter hatte am 2. Februar 2011 von seinem Büro aus beobachtet, wie sich ein Mann mit auffällig roter Jacke und eine zweite Person in den Sitzreihen herumtrieben. Die Personen seien bereits verschwunden, als er nach dem Rechten schaute, sagt er. An einem Sitz habe er dann eine Art Schuhkarton entdeckt, aus dem ein Kabel mit Kippschalter herausragte - es war eine der drei Rauchbomben.

Die erste sprengte die Polizei mit einem Wassergewehr, die einige Sitzreihen weiter an der Rückenlehne befestigte zweite Granate bauten Ermittler zunächst auseinander, setzten sie wieder zusammen und zündeten sie kontrolliert. Explodiert sei sie dabei nicht, sagt Polizist Nikolaus J., sie sei "heiß und hell" abgebrannt. Der dritte Sprengsatz hingegen sei nicht funktionsfähig gewesen. Alle Granaten enthielten Schwarzpulver und Leuchtsätze, die gewöhnlich zur Gefechtsfeldbeleuchtung eingesetzt werden.

Kameraaufzeichnungen aus der S-Bahn brachten die Ermittler kurz darauf auf die Spur von Torben T., den Mitglieder eines HSV-Fanklubs als "auffällig" beschrieben. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung stellten die Beamten sprengstoffverdächtige Substanzen und sein Handy sicher. Auf dem Blackberry fanden die Ermittler neben mehreren Kurznachrichten an Martin S. auch eine SMS, in der Torben T. einen Freund anwies, "alles zu entfernen, was Pyro ist". Dem bereits verurteilten Bombenleger bleibt eine Vernehmung in der aktuellen Verhandlung indes erspart - sein Urteil ist nicht rechtskräftig, die Berufung läuft noch.