Das Bauhaus-Jahr geht zu Ende - was bleibt in Hamburg? Die Hansestadt war nie eine Hochburg, prägnante Beispiele finden sich jedoch auch hier.

Hamburg. Warum ist Hamburg keine Hochburg der Bauhaus-Bewegung geworden? Warum prägten in den 20er- und frühen 30er-Jahren nicht kubisch-geometrische Bauten mit klaren, schmucklosen Fassaden das Stadtbild? Stattdessen waren Städte wie Stuttgart, Berlin, Magdeburg und Dessau architektonisch moderner als die Hansestadt, in der nach wie vor Backsteinarchitektur dominierte.

Dass sich in Hamburg die Ideen des Bauhaus-Gründers Walter Gropius nicht so stark durchsetzen konnten wie in anderen Städten, lag einerseits an der konservativen Grundhaltung des Bürgertums, zum anderen aber auch am Einfluss des Oberbaudirektors Fritz Schumacher. Als "Konstruktionsfanatismus" bezeichnete Schumacher die neuartige Architektur des Bauhauses. Dennoch entstanden auch in Hamburg eine Reihe von Bauwerken, die vom Bauhaus, der heute legendären Kaderschmiede der Moderne, beeinflusst waren.

Die Institution, die Gropius 1919 in Weimar ins Leben rief, veränderte Formgestaltung und Architektur radikal. "Staatliches Bauhaus Weimar - Vereinigte ehemalige Großherzogliche Hochschule für bildende Kunst und ehemalige Großherzogliche Kunstgewerbeschule" hieß die Schule, an der weltberühmte Künstler wie Lyonel Feininger, Paul Klee, Wassily Kandinsky, Lászlo Moholy-Nagy und Gerhard Marcks lehrten. Auf Druck der Thüringer Regierung musste sie 1925 nach Dessau umziehen, bevor die braunen Machthaber sie 1933 zur Selbstauflösung zwangen. Walter Gropius ging es darum, alle künstlerischen Disziplinen an einer neuartigen, klaren und funktionalen Architektur zusammenwirken zu lassen. Das von Gropius entworfene und 1926 in Dessau eröffnete Bauhausgebäude ist ein Meilenstein der Architektur der Moderne.

Fritz Schumacher, der in Hamburg für das öffentliche Bauwesen zuständig war, konnte diesen Bauten nur wenig abgewinnen. "Man kann Schumacher sicher nicht unterstellen, dass er durch und durch Traditionalist gewesen wäre, aber die radikale Form des Neuen Bauens lehnte er ab", sagt Heidi Schmal vom Hamburger Denkmalschutzamt. "Im Siedlungsbau, für den er Verantwortung trug, konnten daher Bauhaus-Ideen kaum zum Zuge kommen." Schumacher stand zwar für Reformarchitektur, doch seine Backsteinbauten vollzogen keinen Bruch mit der regionalen oder architektonischen Tradition.

Trotzdem stießen die neuen Ideen der Architekturrevoluzzer aus Dessau in den 20er-Jahren auch in Hamburg auf großes Interesse. Im Mai und Juni 1926 zeigte die Kunstgewerbeschule auf dem Lerchenfeld eine Fotoausstellung unter dem Titel "Typen neuer Baukunst". Im Begleitprogramm hielt Gropius einen Vortrag, in dem er seine Auffassungen von Formgebung und Architektur erläuterte. Falls Schumacher zu den Zuhörern zählte, was durchaus nicht unwahrscheinlich ist, wird er mit Stirnrunzeln registriert haben, dass gerade junge Architekten die Bauhaus-Ideen mit Begeisterung aufnahmen.

Das zeigte sich vor allem beim Bau von privaten Häusern. Den Auftakt bildete bereits 1923 ein Landhaus, das der Architekt Karl Schneider für das Ehepaar Michaelsen am Falkensteiner Ufer errichtete. Das mit seinem Turm burgartig wirkende, in klare Formen gegliederte und mit einem großen gebogenen Fenster versehene Gebäude, in dem sich heute Elke Dröschers Puppenmuseum befindet, war ein architektonischer Paukenschlag. "Selten treten die neuen Grundlagen der Baukunst so klar in Erscheinung wie bei diesem Bauwerk, das nicht nur für seinen Urheber programmatisch genannt werden muss", schrieb bereits 1926 ein Architekturkritiker.

Ähnlich spektakulär war die Villa, die Martin Elsaesser 1930-32 für den Tabakfabrikanten Philipp Reemtsma an der Parkstraße 51 inmitten eines großen Landschaftsgartens erbaute. Mit ihren klaren Linien, asymmetrischen Formen und der ebenso edlen wie funktionalistischen Ausstattung wirkte diese Villa ultramodern. Das "Haus K. in O.", wie Elsaesser sein Projekt in einer Dokumentation verschlüsselte, kostete 4,2 Millionen Mark und war vermutlich das teuerste Privathaus, das während der Weimarer Republik in Deutschland gebaut wurde.

Spektakuläre Bauhausvillen mit glatten weißen Putzfassaden sind in Hamburg eher selten zu finden, dafür gibt es zahlreiche Beispiele des Neuen Bauens in Backstein. Hier zeigt sich der Bauhaus-Einfluss zwar nicht so auffällig, dennoch sind an Baukörper, Gliederung und Raumkonzept zahlreicher Hamburger Privathäuser und auch Siedlungen der 20er- und frühen 30er-Jahre die neuen Ideen deutlich ablesbar. Dabei hat die "Übersetzung" des Bauhauses in Backstein ihren ganz eigenen Reiz. "Klare Baukörper mit ornamentlosen Fassaden und flachen Dächern bekamen dadurch sehr lebendige Oberflächen aus rotem, gelbem oder sogar bunt gemischtem Klinker, wie es beispielsweise an den Bauten von Gustav Oelsner in Altona anschaulich wird", meint Frank Pieter Hesse, Hamburgs oberster Denkmalschützer.

Dank ihrer hellen Putzfassaden freilich noch deutlicher als Bauhaus-Architektur erkennbar, ist die von dem Architekten Semmy Engel 1928/29 an der Sophienterrasse errichtete Reihenhauszeile. Auch die 1931 von Felix Ascher und Robert Friedman an der Oberstraße 116-120 erbaute Synagoge, die in ihrer Kubus-Form zu den Hamburger Musterbeispielen des Neuen Bauens zählt, hat eine Putzfassade. Das Gebäude, das die Nazis 1938 entweihten und in dem sich heute das Rolf-Liebermann-Studio des NDR befindet, gilt als einer der bedeutendsten Sakralbauten der Weimarer Republik. 1929/30 ist in Jenfeld die glatt verputzte Schule Denksteinweg (Bei den Höfen 2) entstanden, als erste Schule in Norddeutschland in Flachbauarchitektur.

Jenfeld unterstand damals dem Stadtbauamt Wandsbek und gehörte bis 1937 nicht zu Hamburg - und damit nicht zum Einflussbereich von Fritz Schumacher. Ähnlich verhielt es sich mit dem zum Landkreis Pinneberg gehörenden Lokstedt, das erst mit Inkrafttreten des Groß-Hamburg-Gesetzes Teil der Hansestadt wurde. Auch aus diesem Grund konnte hier die wohl interessanteste Bauhaus-Wohnsiedlung auf heutigem Hamburger Stadtgebiet entstehen: Um 1930 errichteten Semmy und sein Bruder Bernd Engel gemeinsam mit ihrem Kollegen Herrmann Rickert 133 zweigeschossige Einzel-, Doppel-, Dreier und Reihenhäuser in kubischen Formen mit Flachdächern und hellen Putzfassaden. Vorbild war die Siedlung Dessau-Törten von Walter Gropius. "Pappsiedlung", "Klein-Kamerun" oder "Schachtelsiedlung" wurde die Anlage aufgrund ihrer ungewöhnlichen Bauformen genannt. Das kann schon fast als Qualitätsbeweis gelten, wurde doch die weltberühmte Stuttgarter Weissenhofsiedlung zunächst als "Araberdorf" verspottet.

Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde 1933 nicht nur das zuletzt von Dessau nach Berlin umgezogene Bauhaus zerschlagen, es endete überall in Deutschland - also auch in Hamburg - die Zeit des Neuen Bauens. Bleibt zu hoffen, dass das jetzt zu Ende gehende Bauhausjahr dazu beigetragen hat, den Blick für das Erbe dieser ebenso kurzen wie folgenreichen architektonischen Ära zu schärfen und deren Zeugnisse für die Zukunft zu bewahren.