Ansturm auf alle Standesämter: 100 Trauungen in 24 Stunden. Im 30-Minuten-Takt wurden die Paare vermählt.

Hamburg. Eine Stadt im Hochzeitsfieber. Alle sieben Standesämter in Hamburg haben gestern einen ungewohnten Ansturm Heiratswilliger erlebt - am 9.9.2009 haben sich 100 Paare das Jawort gegeben. "Viele lassen sich einfach vom Datum leiten", sagt Ute Behr. Die Leiterin des Standesamtes Altona arbeitet schon mehr als 20 Jahre als Standesbeamtin, sie kennt den Andrang an "Schnapszahltagen" gut.

Ebenso lange ist das Paar, das sich um 9.09 Uhr trauen lässt, schon zusammen - 20 Jahre, bis gestern unverheiratet. Chris Mischke (wenige Minuten zuvor noch Wilbrandt) und Thomas Mischke aus Lurup haben die Sternenkalender durchgesehen und danach das Hochzeitsdatum ausgesucht. "Ehrlich gesagt, hat meine Frau das allein geplant. Da haben wir Arbeitsteilung, und ich habe nur Ja gesagt", sagt der 57-Jährige kurz nach der Trauung. Eigentlich wollte das Paar die standesamtliche Trauung geheim halten und seine Freunde mit einer Einladung zur Hochzeitsfeier überraschen. "Das wird wohl nichts mehr mit dem Geheimhalten, wenn sie im Abendblatt von uns lesen", sagt der Bräutigam.

Das nächste Paar - in Altona wurde gestern im halbstündigen Rhythmus getraut, sonst hätten die fünf Standesbeamten nicht alle 17 Trauungen geschafft - hat sich das genau überlegt. Besser gesagt: die Braut. Frisch getraut rechnete Nadine Batista vor: "Wir sind drei Jahre zusammen, er hat mir am dritten Jahrestag den Heiratsantrag gemacht, und heute ist auch noch der dritte Tag der Woche. Drei geht dreimal in neun rein, das ist ein gutes Omen." Die 31-Jährige hat zwar davon gehört, dass ein sogenanntes Glücksdatum vielen Paaren kein Glück gebracht hat, doch das macht ihr nichts aus. Auch ihren frischgebackenen Ehemann lässt das kalt. "Wir gehören ganz sicher zu den 50 Prozent, die für immer zusammenbleiben", sagt der Bräutigam José Batista.

Viel pragmatischer ist dagegen die Antwort des Paares, das danach an der Reihe ist. "Wir lassen uns heute trauen, weil man sich das Datum gut merken kann, und wegen der Kinder - ein Name für alle ist besser", sagt Jens Broyer (38). Auch Sohn Nico ist da ganz praktisch: "Den Namen von Papa mag ich einfach lieber, deshalb möchte ich so heißen", sagt der Achtjährige. Also heißt die frischgebackene Ehefrau Tanja nun nicht mehr Kebbe, sondern Broyer. "Wir haben uns einfach gedacht: Nach neun Jahren wilder Ehe und mit zweit Kindern ist jetzt mal Zeit", sagt Tanja Broyer (28) und hält kurz nach der Trauung lieber die vier Monate alte Tochter Joline im Arm als den Brautstrauß in der Hand.

Doch der Pragmatismus der Familie Broyer scheint an Schnapszahldaten die Ausnahme zu sein. "Für viele gehört zu der perfekten Hochzeit auch das perfekte Datum", sagt Standesbeamtin Hannah Sevke. Die 24-Jährige hat gestern im Rathaus Altona vier der insgesamt 17 Paare getraut.

Als eine der jüngsten Standesbeamtinnen Hamburgs erlebt Sevke das Hochzeitsmarathon als "stressigsten Tag des Jahres" erst zum zweiten Mal. Mehr Erfahrung hat da die Leiterin des Standesamtes. Ute Behr hat schon den Ansturm am 9.9.1999 erlebt. "Vor genau zehn Jahren, das war tatsächlich ein Riesenansturm. Da haben die Paare nachts vor der Tür gesessen, um die Ersten bei der Anmeldung zu sein", erinnert sich Behr.

Ob ein Glücksdatum nun besonders viel Glück bringt? "Nein", sagen Berliner Standesbeamte, die hausintern die Erfolgsquote der Paare, die sich am 7.7.07 getraut hatten, ausgewertet haben. Die Hamburger Standesämter können eine solche Auswertung erst im Jahr 2010 präsentieren, denn derzeit wird die Scheidungsquote noch nicht in den Standesämtern erfasst. "Die Zahlen, die im Heiratsregister zentral erfasst werden, sollen vom nächsten Jahr an bei uns gesammelt werden", sagt Ute Behr.

Während in Hamburg außerhalb der Standesämter Trauungen nur "überdacht" möglich sind, wie beispielsweise im Jenisch-Haus, konnten sich Paare in Niedersachsen auch in luftiger Höhe trauen lassen. Auf Europas größter Holzachterbahn "Colossos" im Heide-Park Soltau gab sich gestern ein Paar bei rasender Geschwindigkeit das Jawort. Die Braut (23): "Man muss das Ja richtig herausschreien, weil es sehr laut ist. Da ist kein Platz für Schüchternheit oder Zweifel. Doch wir haben es beide so laut gerufen, wie wir konnten, der ganze Park war Trauzeuge."