Die unvorstellbaren Gewaltexzesse begannen, als eine junge Polin im Bordell Club 77 für 7000 Euro “Ablöse“ an den Täter aus Serbien-Montenegro verkauft wurde.

Hamburg. Weiß dieser 30-jährige Mann überhaupt, was da eben anderthalb Stunden lang vor der Großen Strafkammer 2a des Hamburger Landgerichts während der Urteilsbegründung abgelaufen ist? Zwölf Jahre, lautet das Urteil. Die bekommt er dafür, dass er einer jungen Frau zwei Jahre lang unglaubliche Gewalt, Vergewaltigungen und Demütigungen angetan hat. Sie musste so viele Widerlichkeiten ertragen, dass sie sich schließlich aus einem fahrenden Auto stürzte. Später wurde sie - blutüberströmt und teilweise bewusstlos - wieder vergewaltigt.

Nach anderthalb Stunden ist im Gericht das Urteil gesprochen und begründet. Ganz ruhig hat die Vorsitzende Richterin Birgit Woitas gesagt: "Wir wollen ein Zeichen setzen."

Die Stille danach ist bedrückend. Die Zuschauer sitzen noch, während der Verurteilte aufsteht. Qemajl Osmani aus Serbien-Montenegro ist ein großer, massiger Mann mit kurzen schwarzen Haaren, dunklen Augen und einer Zahnlücke. Er trägt ein zerknittertes weißes Sporthemd, Jeans und Turnschuhe. Der Verurteilte ist ein Cousin der verurteilten Osmani-Brüder (Burim und Bashkim).

Er fixiert nach dem Aufstehen sofort einen Kumpel im Zuschauerraum. Dann hebt er den Kopf und stupst mit zwei Fingern das Kinn hoch. So, als wolle er sagen: Kopf hoch, Junge! Als Nächstes ist sein Verteidiger Norbert John dran. Qemajl Osmani klopft ihm anerkennend auf die Schulter. Dann lacht Qemajl Osmani breit. Immer noch fassungslos fragt ein Zuschauer in der Stille: "Lacht er?" Ein anderer antwortet. "Ja." Mit tapsigem Gang verlässt Qemajl Osmani den Saal Richtung Zelle. Er bleibt in Haft.

Dieser Prozess hat einen Einblick in die Welt eines brutalen Zuhälters gegeben. In der Urteilsbegründung werden aufgezählt: Sechs Delikte im Rauschgifthandel, gefährliche Körperverletzung, vorsätzliche Körperverletzung mit Vergewaltigung, Nötigung (mit einer Schusswaffe), Vergewaltigung mit sexuellem Missbrauch (einer Bewusstlosen) und noch einmal Vergewaltigung mit vorsätzlicher Körperverletzung. Als schlimmste Vergehen erwähnt die Vorsitzende den Einsatz einer scharfen Waffe bei einem Drogendeal und das weiße Stromkabel, mit dem Qemajl Osmani die Hände seines Opfers fesselte, nachdem er das Gesicht der Frau gegen eine Scheibe geschlagen hat, ihr dann die langen Haare um die Hände wickelt, sodass ihr die Luft wegbleibt, dann das Knie und den Fuß in ihren Bauch rammt. Sein Opfer flüchtet, will über den Balkon in den Tod stürzen, wird abgefangen und vergewaltigt. Danach legt sich der Täter schlafen.

Sein Opfer ist die junge Anna J. aus Polen, die 2004 in der Heimat Ehemann und drei kleine Kinder zurückgelassen hat. Sie arbeitet im Hamburger Bordell Club 77 , schickt regelmäßig Geld nach Hause. Qemajl Osmani arbeitet als "Bruno" im Rotlicht, handelt mit Kokain, hat 17 Handys, damit ihm die Kripo nicht auf die Spur kommt. "Bruno" lernt als Gast im Club 77 die junge Anna J. kennen. 7000 Euro Ablöse zahlt er an Annas Zuhälter, den Türken "Jimmy". Anfangs schafft die Prostituierte für "Bruno" freiwillig auf St. Pauli an. "Anna liebte Sie", sagt die Vorsitzende zum Angeklagten.

2005 wird Anna schwanger, verschweigt dies. "Bruno" schlägt sie, eine Abtreibung folgt. Anna muss bei einem Drogendeal die scharfe Pistole in ihrer Handtasche für "Bruno" bereithalten. Ein Selbstmordversuch folgt. "Bruno" holt sie aus der Klinik, greift zum weißen Stromkabel und quält sie.

Anna fährt in ein Bordell in den Kreis Steinburg, will nach Polen flüchten. Erfolglos.

Dann kommt der März 2006. "Bruno" zwingt Anna, das Bordell zu verlassen, fährt mit ihr im Auto nach Hamburg. Sie bekommt einen Faustschlag ins Gesicht, wird mit einem Messer bedroht, da öffnet sie die Autotür, stürzt sich auf die Straße, wird bewusstlos. Sie hat eine lange Wunde am Kopf, verliert viele Haare und später auch ihr Geschmacksempfinden. "Bruno" fährt sein Opfer in die Wohnung seiner Ehefrau, bittet diese, vor dem Eintreffen alle Fotos abzuhängen, die "Bruno" mit seinen Kindern zeigen.

Erst danach bringt "Bruno" die Frau zum Arzt, der die Wunde näht. Dann geht es zurück ins Bordell.

Schließlich verhilft ein Mann Anna zur Flucht nach Polen. Ihre Schwester unterstützt sie dabei, sich in das Zeugenschutzprogramm des Landeskriminalamts zu begeben. 20 Tage lang schildert sie der Polizei ihr Martyrium.

"Wir haben nicht den geringsten Zweifel an den Aussagen von Anna", stellt das Gericht am Freitag fest. "Bruno" war nur in zwei (minderen) Punkten geständig. Die Vorsitzende Richterin Woitas: "Sie haben sich nur undifferenziert geäußert. Auch weil Sie von Ihrer Verteidigung nicht genügend vorbereitet wurden."