Heute wollen Tausende vom Audimax zum Rathaus ziehen. AStA der Uni geht auf Distanz zu den Initiatoren.

Hamburg. Freudiges Geschrei auf der Hüpfburg. Stürmischer Beifall beim Bobby-Car-Wettrennen. Wildes Tanzen vor einer provisorischen Bühne zu lauter Musik. Entspanntes Lesen in Liegestühlen. Ein Straßenfest? Ein Tag der offenen Tür in der Kita? Nein. Ein Bildungsstreik. Auf dem Campus der Universität Hamburg. Forderungen gibt es auch: keine Studiengebühren, BAföG für alle und Hochschulzugang ohne Abitur. Jan Drechsel (23) aus Borgfelde macht nicht mit beim Streik. Der BWL-Student hält die Aktionen für "lächerlich und zwecklos". So wie er denken offenbar viele. An weiten Teilen der Uni herrscht Normalbetrieb.

Zum Leidwesen von Constantin Braun (26) aus St. Pauli. Der Politikstudent im zehnten Semester ist Mitinitiator der Protestaktion und sagt: "An der Uni herrscht keine Demokratie mehr, und wir Studenten können nicht genug mitbestimmen." Neben dem Verteilen von Flyern und den Mitmachaktionen auf dem Campus sind die Studenten aber auch auf die Straße gegangen. In Gruppen von 40 bis 50 Personen belagerten sie kurzzeitig mehrere Straßen, wie zum Beispiel die Elbchaussee Ecke Große Brunnenstraße in Ottensen, und behinderten den Verkehr. Nach Eintreffen der Polizei lösten sich die Blockaden schnell und gewaltlos auf. Auf dem Uni-Campus selbst stehen viele alte Sofas und Tische. Die Eingänge mehrerer Gebäude sind verbarrikadiert. Im Eingang des sogenannten Pferdestalls ist ein Berg von Stühlen aufgebaut, der den Zugang unmöglich macht. Mit ihrem Lernmaterial für die Uni sitzen die Studenten in gelben Protest-T-Shirts davor und lesen still in ihren Büchern. Andere Studenten finden nicht einmal Zeit zum Protestieren. Magdalena Abu-Elian (23) studiert Soziologie und würde sich gerne mehr engagieren: "Ich bin Bachelorstudentin und kann es mir wegen der Semesterabschlussprüfungen und des engen Studienplans nicht leisten, eine Woche lang nichts zu tun." Den Vorlesungen bleibt sie dennoch fern.

Die chaotischen Verhältnisse auf dem Campus beobachten die Vorsitzenden des Allgemeinen Studierenden Ausschusses (AStA) der Uni Hamburg durch ihr Bürofenster. Der AStA unterstützt den Bildungsstreik nicht. Severin Pabsch (23), einer der AStA-Vorsitzenden, bestätigt: "Wir distanzieren uns von diesen plakativen Aussagen. Die Öffentlichkeit sieht hier pöbelnde Studenten, die meckern, aber keine konstruktiven Ideen zeigen." Was schlägt der AStA vor? "Die Studierenden sollten gemeinsam mit Professoren Vorschläge ausarbeiten, um sich so für ein besseres Hochschulsystem einzusetzen." Unabhängig davon finde der AStA einige Forderungen des Streiks gut und hofft, dass die Proteste gewaltfrei bleiben. Vor allem morgen bei der großen Demonstration. Der Beginn der Streikwoche zumindest verlief friedvoll. Wie viele Studenten zum Ende der Woche noch mitmachen und dann den Stuhlberg aus dem "Pferdestall" wieder auseinanderbauen, ist ungewiss.