Sanierungsstau, Inklusion, Ganztagsbetreuung: Schulsenator hat noch viel zu tun

Eltern, die ihr Kind auf eine staatliche Schule in Hamburg schicken, können sich auf den ersten Blick glücklich schätzen. An Grund- und Stadtteilschulen wachsen kleinere Klassen von Jahrgangsstufe zu Jahrgangsstufe durch. Weniger Kinder im Unterricht - nur 23 statt 29 oder gar 30 Schüler - erhöhen die Chancen zu individueller Förderung.

Die erforderlichen Neueinstellungen von Hunderten Lehrern verjüngen die Kollegien und bringen frischen Wind in die Schulen. Hamburg baut das Ganztagsschulangebot massiv aus und fördert so die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Und weil das System insgesamt wächst, werden Schulen gegründet. Neue Gymnasien und Stadtteilschulen stärken die regionale Versorgung und verbreitern die Wahlmöglichkeit für Eltern und ihre Kinder.

Der SPD-geführte Senat hat mit Bildung in Kita und Schule zweifellos einen richtigen Schwerpunkt gewählt. Angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen, die die Schuldenbremse für den Landesetat setzt, wird finanziell bei der Bildung nicht gekleckert, sondern geradezu geklotzt. Diese Leistung wird nicht durch den Hinweis gemindert, dass die SPD Projekte früherer Senate fortführt - wie die Inklusion behinderter Schüler - oder den politischen Willen der großen Mehrheit der Bürgerschaft umsetzt - wie die Verkleinerung der Klassen.

Auf den zweiten Blick zeigen sich die Probleme des Schulsystems jedoch überdeutlich. Es gibt drei große Baustellen, von denen sich auch bei wohlwollender Betrachtung nicht sagen lässt, dass Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD) sie ein gutes Jahr nach Amtsantritt schon im Griff hätte. Fairerweise sei hinzugefügt, dass es sich zum Teil um "geerbte" Probleme handelt.

Obenan steht das Thema Inklusion, also das Recht der Eltern, ihr behindertes Kind auf einer Regelschule anzumelden. Eine alte Hamburger Krankheit ist, dass Schulreformen viel zu hastig und häufig unüberlegt eingeführt werden. Zugespitzt gesagt: Erst wird reformiert und anschließend über die Konsequenzen nachgedacht.

Dieser Untugend folgte der schwarz-grüne Senat, als er 2009 den Rechtsanspruch auf inklusive Bildung ins Schulgesetz schrieb. Seitdem erleben Grund- und vor allem Stadtteilschulen einen massiven Anstieg der Anmeldungen von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Eltern nutzen das Angebot verständlicherweise, die meisten Schulen waren darauf nicht vorbereitet. Dass die von Rabe zum neuen Schuljahr eingeführte pauschale Zuweisung von zusätzlichen Förderstunden zur Beruhigung der Lage beiträgt, ist nicht zu erwarten. Statt mit behutsamem Ausbau die Akzeptanz für die Inklusion zu erhöhen, belastet ein Ressourcenstreit das Klima an den Schulen.

Das zweite Mega-Problem ist eine Baustelle im wahrsten Sinn des Wortes: der Sanierungsstau an den Schulen und die erforderlichen Neu-, Um- oder Erweiterungsbauten. Wie die Elbphilharmonie im großen Maßstab liefert der Schulbau an vielen kleinen Beispielen den Beleg dafür, dass der Staat nicht gut bauen kann. Zu langsam, zu ineffizient und wohl auch zu teuer: Dieses Etikett muss dem Hamburger Schulbau angeheftet werden.

Gerade hat das Abendblatt über den abstrusen Umstand berichtet, dass 2011 rund 35 von 96 Millionen Euro, die die Bürgerschaft zur Sanierung von Schulgebäuden bewilligt hatte, nicht "verbaut" werden konnten. Der Senat hat bereits Konsequenzen gezogen und den Staatsbetrieb Schulbau Hamburg umorganisiert - Ausgang offen.

Zuletzt schafft der massive Ausbau von Ganztagsschulen organisatorische Probleme an den Standorten. Hier hilft der Enthusiasmus der engagierten Lehrer und Eltern vor Ort wohl noch am ehesten über Unzulänglichkeiten wie der hinweg, dass Schüler für eine Übergangszeit im Klassenraum essen müssen, weil die Kantine noch nicht fertiggestellt ist.