Eine Glosse von Iris Hellmuth

In einem voll besetzten Flieger auf den nächsten Kontinent zu reisen kann ungefähr so reizvoll sein, wie mit zwei Dutzend Kollegen ein Großraumbüro zu teilen: Es dauert nicht lang, und man ist ziemlich genervt. Wofür im Grunde niemand etwas kann. Der Mensch ist einfach nicht dazu gemacht, andere Menschen gern niesen zu hören, dasselbe gilt meines Wissens auch für Schmatzen, Schlürfen, Husten, Kratzen, Fingernägelkauen, Plappern, Gackern, Trommeln, Fluchen, Singen oder Summen.

Nun weiß man nicht, wie der schwedische Musiker Jonas Myrin über seine Mitmenschen denkt, man könnte aber erste Mutmaßungen darüber anstellen, wie seine Mitmenschen über Jonas Myrin denken. Myrin sagte in einem Interview, dass er Lied-Ideen sofort in sein Handy singe, um sie nicht zu vergessen, egal wo er gerade sei: "Neulich bin ich über Nacht geflogen", erzählte er, "im Flugzeug war es dunkel, alle haben geschlafen. Ich habe mir eine Decke über den Kopf gezogen und die ganze Nacht in mein Handy gesungen."

Alle haben geschlafen? Das halte ich für ein Gerücht. Selten sitzt man schließlich in einem Flugzeug ganz allein, es sei denn, man heißt Paul McCartney oder Bono Vox. Nein, meistens sitzt da ein Nachbar. Und vielleicht sollte man gleich mal damit anfangen, die Nachrichtenagenturen parallel auf folgende Meldung zu durchsuchen: "Notlandung in Hamburg: Flugpassagier schlägt auf singenden Sitznachbarn ein." Jede Meldung hat schließlich eine Vorgeschichte.