Der erste Gewinner des Sommers steht fest: Das grün angehauchte Holunder-Trendgetränk ist dabei, den rötlichen Bitter-Spritz zu verdrängen.

Für eine Sommer-Bilanz ist es noch viel zu früh. Aber ein Gewinner steht schon fest: Er heißt Hugo. Der Wortstamm dieses ursprünglich germanischen Namens bedeutet Verstand und denkender Geist. Das mag als Charakterzug bei Getränken leicht übertrieben eingeschenkt sein. Zumal Hugo eigentlich bescheiden daherkommt - einfach nur als das Trendgetränk der Saison. Jedenfalls für alle, die sich nicht ausschließlich mit Bachblütentee oder Buttermilch-Drinks erfrischen wollen. Und das sind zur sonnigen Ferienzeit und in den typischen Urlaubsregionen sehr, sehr viele.

Hugo hat die vergangenen drei Monate erfolgreich genutzt und seinem größten Konkurrenten europaweit Paroli geboten. Sein Gegenspüler kann leider nicht genannt werden, ohne den Markennamen der farbgebenden Likörzutat mitzuzitieren: Aperol Spritz (oder Sprizz). Gespritzt - also laut österreichischem Verständnis schorlemäßig mit sprudelndem Mineralwasser aufgepeppt - sind allerdings beide Mix-Drinks. Womit diese Zutat in der Menge eines großzügigen "Zitschs" schon mal feststeht. Auf die Eiswürfel gibt es dann noch Aperol (den italienischen Bitter), plus Weißwein (wahlweise auch Prosecco) im Verhältnis zwei zu drei und farblich passend zum satten Orange der Flüssigkeit noch eine Apfelsinenscheibe. Als Zugabe fürs verwöhnte Auge. Fertig ist der Spritz.

Seine Heimat ist unbestritten Bella Italia. Die Spuren verweisen von Südtirol über Venetien direkt nach Venedig. Dort ist der Sprizz auch als Veneziano im Umlauf. Mit einem Hauch weniger Alkohol. Der Originallikör, 1919 in Padua entwickelt aus Rhabarber, Chinarinde, Enzian, Bitterorangen und Kräutern, hat dort nur elf statt der deutschen Flasche mit 15 Prozent Alkohol. Eine Schnapsidee dank Pfandverordnung, nach der Getränke ab 15 Prozent Alkohol pfandfrei sind.

Farblich blasser mit einem sanften Hauchgrün wird dagegen Hugo aufgetischt. Seine Bestandteile: ein Glas Prosecco, ein Schnapsgläschen Holunderblütensirup, gezupfte Minzblätter, ein Limettenstückchen und natürlich Eis.

Hugo hat selbst bei Cocktail-Laien eine solche Sucht ausgelöst, dass wirklich jedermann im weltweiten Netz nach seinem Rezept sucht. Ahnungslose müssen dann schon mal die Netzgemeinde, zum Beispiel bei chefkoch.de, um Hilfe bitten mit der Frage "Was ist eigentlich Soda?". Ein Tipp am Rande: Nicht um jeden Preis selbst experimentieren. Den Drink gibt's fertig in fast jeder Kneipe oder Bar.

Bleibt bei nüchterner Betrachtung immer noch eine wichtige Frage: Wie kommt Hugo an den markanten Namen? In München galt der Pizzabäcker von H'ugo's Pizza Bar Lounge lange als Erfinder. Doch Nachforschungen von Mixology, dem Magazin für Barkultur, ergaben, dass Hugo viele Jahre, bevor ihn die Münchner Schickeria erstmals schlürfte, schon in Südtirol gesichtet worden war. Dort soll ein Bar-Chef, genervt vom hektoliterweise verkauften Aperol Spritz, den "Kaiser G'spritzten" - eine Weißweinschorle mit Holundersirup - leicht abgewandelt, ihm obendrauf Minzblätter verpasst und in Hugo umgetauft haben. Die Namenswahl sei spontan und zufällig gewesen.

Allerdings hatte der Hugo-Erfinder in seinen Drink noch vorsichtig Zitronenmelissensirup reingerührt und vermutet inzwischen, Nachahmer wären auf Holunderblütensirup umgeschwenkt, weil der leichter zu bekommen sei. Ein holländischer Spirituosenhersteller bietet den Sirup im Doppelpack mit Perlwein an als "Grundzutaten für den Trendcocktail". Und Minze gibt es im Gewürztöpfchen auf Märkten. Wer genau hinschaut, findet auch beim Waldspaziergang das unverwüstliche Kraut.

Das klingt nach reiner Natur. Dennoch ist Hugo kein harmloser Schlankmacher. Auf 300 Kilokalorien summieren sich die Zutaten, vor allem durch den Sirup, der die Hälfte des Brennwertes ausmacht. Aber wer Hugo ohne Holunderblüten trinken will, sollte gleich auf einen anderen Sommerdrink umschwenken. Bloß nicht auf Eiskaffee (knapp 600 Kilokalorien) oder Eisschokolade (über 700).