Fahrer weichen Staugefahr aus, weil Wartezeit nicht bezahlt wird. Bei Großveranstaltungen mangelt es an Wagen. Unternehmen wollen höhere Tarife

Hamburg. "Tut uns leid, wir haben im Moment leider kein Fahrzeug für Sie." Diese Aussage bekommen viele Hamburger beim Anruf in einer der Taxizentralen zu hören. Der Grund: Bei hohem Verkehrsaufkommen wollen die Fahrer bestimmte Touren nicht annehmen, denn auf vollen Straßen und im Stau lohnen sich manche Fahrten für die Unternehmer schlichtweg nicht.

Das Ergebnis: Viele Kunden, die in verkehrsreichen Gegenden wohnen, werden zu Hauptverkehrszeiten nicht oder sehr verzögert bedient. Das betrifft insbesondere die Menschen, die in der Innenstadt an besonders belebten Straßen leben. Auch bei Fußballspielen, Konzerten und Messen gibt es dieses Problem. Besucher bekommen dann einfach kein Taxi - und müssen selber sehen, wie sie zu ihrem Ziel und wieder wegkommen.

Bis zu fünf Prozent der Touren werden nach Einschätzung von Michael Hakan Erdogan, Vorsitzender des Landesverbands Hamburger Taxiunternehmer, pro Tag aus diesem Grund nicht gefahren. Im schlechtesten Fall seien das bei etwa 50 000 Fahrten am Tag 2500 Anfragen, die nicht bedient würden. An Tagen mit einer normalen Verkehrslage geht Erdogan von 1000 abgelehnten Anfragen aus.

Auch bei der Wirtschaftsbehörde ist dieses Problem bekannt. "Die Ablehnung von Fahrten ist regelmäßig Gegenstand von Beschwerden", bestätigt Helma Krstanoski, Sprecherin der Wirtschaftsbehörde. Die Vermittlungszentrale Hansa-Taxi sieht allerdings kein grundsätzliches Problem. Laut Hansa-Sprecher könne es zwar dazu kommen, dass Anfragen nicht bedient werden, dies sei aber die Ausnahme. "Wenn die Nachfrage groß ist, ist es für die Fahrer natürlich attraktiver, nicht in den Stau hineinzufahren", so der Sprecher.

"Das ist einfach unternehmerisches Denken", sagt Erdogan. "Bei stark frequentierten Veranstaltungen lohnt es sich für die Taxifahrer einfach nicht", pflichtet ihm Clemens Grün, Zweiter Vorsitzender des Hamburger Taxenverbands, bei. Insgesamt gibt es fünf Hamburger Taxiverbände - alle kämpfen derzeit für eine Anhebung der Tarife. Gemeinsam reichten sie kürzlich einen Tarifantrag bei der Stadt ein. Hauptforderung: die Abschaffung der Karenzminute. Sie ist dafür verantwortlich, dass Fahrer im Stau kaum verdienen.

Die Regelung der Karenzminute setzt den Faktor Zeit bei Taxifahrten für die Bezahlung quasi außer Kraft. Denn im Stau und bei stockendem Verkehr zahlt der Kunde bei Stillstand erst nach einer Minute. Wenn das Taxi aber beispielsweise im Feierabendverkehr fast dauernd steht, fährt der Fahrer für einen geringen Lohn, obwohl er lange unterwegs ist. Laut einem Gutachten ergibt sich durch diese Regelung ein Einnahmeverlust von etwa 12 Prozent. Viele Fahrer könnten von ihrem Verdienst kaum leben, sagen sowohl Verbandssprecher als auch Taxiunternehmer.

"Es tut mir wirklich leid für die Leute, die verkehrsungünstig wohnen", sagt Erdogan. Ein Beispiel sei der Baumwall. Hier sei es insbesondere zu verkehrsstarken Zeiten unrentabel, Kunden abzuholen oder hinzubringen. Das Gleiche gelte auch für die Hamburger Straße und Hauptverkehrsadern rund um die Alster. Auch innerhalb des Rings 2 gebe es Probleme. Solche Ziele würden dann gemieden. "Manches versuchen wir nicht anzufahren", sagt Erdogan. Und das sei keine Ausnahme, das sei die Regel.

Es gibt zwar eine Beförderungspflicht, diese bewirkt auch, dass Fahrer Touren nicht ablehnen können, wenn sie in einer Warteschlange stehen. Dann können Taxifahrer lediglich den Hinweis geben, dass es für den Kunden aufgrund der Verkehrslage besser wäre, die Bahn zu nutzen. Anders ist es allerdings bei der Vermittlung über die Zentralen: Hier können die Unternehmer selbst bestimmen, welche Touren sie annehmen und welche nicht. In einer verkehrsstarken Zeit entscheiden sich die Fahrer für Touren, die rentabel sind und nicht durch verkehrsträchtige Gegenden führen.

Das wirkt sich auch bei Großveranstaltungen aus: Besonders eklatant sei die Lage bei den Arenen und der Messe, berichten Erdogan und Grün. Gerade bei internationalen Ausstellungen wie der "Hanseboot" mit vielen internationalen Geschäftskunden sei das problematisch. Wenn die Stadt voll sei, werde es schwierig, bestätigt die Hamburg Messe. "Es bleiben da Hunderte Leute stehen und kommen nicht weg", berichtet Grün. Das mache keinen guten Eindruck auf Touristen.

Bereits im vergangenen Jahr war es bei mehreren Großveranstaltungen an einem Wochenende zu Taxi-Engpässen gekommen. Matthias Schmitting vom ADAC sah dabei die Grundproblematik bei der Stadt: "Die Frage ist, wie viele Großveranstaltungen Hamburg auf einen Schlag verträgt." Es reiche nicht nur aus, diese zu genehmigen, es müsse auch an ein geeignetes Verkehrskonzept gedacht werden.

Es könne aber nicht das Problem der Taxifahrer sein, wenn die Straßen dicht seien, sagt Erdogan. "Wenn der Kunde eine Strecke wählt, auf der Wartezeit entsteht, soll er sie auch mitbezahlen." Dabei würden viele Fahrgäste auch mehr bezahlen, ist sich der Verbandschef sicher. Gerade Kunden, die wegen der Lage nicht bedient werden, wären bereit, mehr Geld auszugeben, so Erdogan.

Die fünf Hamburger Taxiverbände beraten derzeit über Verbesserungen. "Wir versuchen Strategien zu entwickeln, damit auch jeder Kunde in Hamburg ein Taxi bekommt", sagt Erdogan. Inwieweit die Verbände nächste Schritte einleiten wollen, um die Forderungen durchzusetzen, wird noch geplant. Dazu könnten beispielsweise Demonstrationen gehören.

Nach Angaben der Wirtschaftsbehörde soll die Entscheidung über neue Tarife voraussichtlich nach der Sommerpause fallen. Die Behörde legt dem Senat dann ihren Vorschlag vor.