Im Euro-Überweisungssystem zwischen den Banken haben sich die finanzschwachen Länder hoch verschuldet. Wir tragen das Risiko

Kaum jemand blickt durch, was es zum Thema Euro-Krise mit den "Target"-Salden auf sich hat - obwohl sie eine tickende Zeitbombe sind. Stark vereinfacht geht es um Folgendes:

Ein deutscher Autohersteller verkauft zum Beispiel ein Auto für 50 000 Euro nach Athen. Die Überweisung des Kaufpreises muss, da Auslandszahlung, über die Zentralbanken laufen. Die Bank des griechischen Käufers überweist den Kaufpreis zunächst an die griechische Zentralbank. Früher ging es so weiter: Die griechische Zentralbank überweist den Betrag an die Bundesbank, die wiederum an den Autohersteller. Heute ist das anders. Denn die Zentralbanken der Euro-Zone haben zur Beschleunigung des Zahlungsverkehrs eine Regelung vereinbart, die sie Target nennen. Die Bundesbank überweist das Geld zwar an den Autohersteller. Die Überweisung zwischen den Zentralbanken wurde jedoch abgeschafft.

Im Target-System fließt also kein Geld mehr zwischen den Zentralbanken! Stattdessen wird "angeschrieben": Es wird notiert, dass die griechische Zentralbank der Bundesbank noch 50 000 Euro schuldet. Die Idee dahinter: Es gibt ja auch Zahlungen von Deutschland nach Griechenland. Die kann man damit verrechnen. Alle 24 Stunden schaltet sich dafür die Europäische Zentralbank (EZB) ein und saldiert die Beträge: Wenn es keine anderen Zahlungen gab, schuldet die griechische Zentralbank der EZB und die EZB der Bundesbank 50 000 Euro.

Im Klartext: Das Geld bleibt in Griechenland. Griechenland bezahlt seine Importe nicht, sondern verschuldet sich über Target. Deutschland erhält kein Geld, sondern nur eine Target-Forderung. Das Geld, das die Exportunternehmen erhalten, ist Geld der Bundesbank, keines aus Griechenland.

Problem nur: Griechenland hat seine Wettbewerbsfähigkeit verloren. Deshalb exportieren deutsche Unternehmen viel mehr dorthin als umgekehrt. Daher müsste das Land konstant mehr Geld nach Deutschland zahlen, als es erhält. Da aber Target die Überweisungen zwischen den Zentralbanken durch Kredite ersetzt, steigen die deutschen Target-Forderungen immer weiter an.

Bis 2010 gab es einen Ausgleich: Blauäugige deutsche Banken haben das Geld der deutschen Sparer über Jahre in großem Stil etwa an griechische Banken ausgeliehen. Die Auszahlung dieser Kredite erfolgte genauso wie die Bezahlung des Autokaufpreises, nur in entgegengesetzter Richtung. Dadurch wurden die Target-Salden immer wieder ausgeglichen. 2010 merkten die deutschen Banken, wie kaputt das Land ist, und gaben den Griechen keine Kredite mehr. Seitdem explodieren die Ungleichgewichte im Target-System.

Müsste den Griechen nicht das Geld für Importe ausgehen, wenn der Kredithahn zu ist? Nein - wiederum wegen Target: Wie gesagt, gelangt das Geld, das für deutsche Importgüter zu zahlen ist, nicht nach Deutschland; es bleibt bei der griechischen Zentralbank hängen. Die füttert damit ein Pump-Karussell: Sie gibt es als Kredit den griechischen Banken zurück, die es wiederum an ihre Kunden verleihen, sodass diese weiter auf Pump importieren können. Bis 2010 kamen die Kredite dafür aus Nordeuropa, heute kommen sie von der griechischen Zentralbank.

Von Target profitieren neben Griechenland auch die anderen wettbewerbsschwachen Euro-Länder, vor allem Portugal, Spanien, Italien. Allein diese vier Länder haben bis heute Target-Schulden von 850 Milliarden Euro aufgebaut. Umgekehrt türmen sich die offenen deutschen Target-Forderungen inzwischen auf 730 Milliarden Euro. Und wöchentlich werden es mehr.

Was bedeutet das für das Geld der deutschen Sparer? Einen Großteil davon legen die Banken heute bei der vermeintlich sicheren Bundesbank an. Verzinsung: null Prozent. Und: Bei der Bundesbank stehen diesem Geld als Gegenwert inzwischen überwiegend Target-Forderungen gegenüber. Die Spareinlagen sind daher nur so sicher, wie es die Target-Forderungen sind. Ein Blick auf Südeuropa zeigt, was davon zu halten ist.

Wenn die Euro-Zone zerfällt, sind 730 Milliarden Euro - und von Woche zu Woche mehr - verloren. Das ist einer der Gründe, warum die Bundesregierung immer größeren "Kredithilfen" für die maroden Südländer, die nie zurückgezahlt werden dürften, zustimmt: Sie ist erpressbar, denn sie will und muss diese Länder um jeden Preis in der Euro-Zone halten. Wir werden geschröpft, entweder als Sparer durch den Verlust eines Großteils unserer Ersparnisse oder als Steuerzahler durch "Kredithilfen", die nie zurückgezahlt werden.