Eine der geheimnisvollsten Erhebungen in Hamburg. Der 68 Meter hohe Falkenberg in den Schwarzen Bergen ist eine Schatzkiste für Forscher.

Harburg. Doch, auch in Hamburg gibt es Berge. Abendblatt-Autor Josef Nyary stellt sie in loser Folge in der neuen Serie "Hamburg in der Höhe" vor. Die Berge wurden aufgetürmt von Eiszeitgletschern - oder auch mal nur von der Müllabfuhr. Was sie alle gemeinsam haben? Sie alle sind einen Spaziergang, einen Ausflug oder sogar eine Wanderung wert.

Die Nacht ist finster, die Gegend einsam, die Fahrt geheim: Schweigsame Männer rudern ein schwer beladenes Boot durch die Marsch. Am Ziel schleppen sie Kisten einen steilen Hang hinauf. Auf dem Gipfel nimmt ein tiefer Schacht die Schätze auf: Gold, Silber, Edelsteine ...

Die Männer sind Klaus Störtebeker und Michel Goedeke. Der dicht bewaldete Kegel in den Schwarzen Bergen heißt Falkenberg, ist 68 Meter hoch und zählt nicht nur durch die Seeräuberstory zu den geheimnisvollsten Erhebungen in und um Hamburg: Archäologen finden Reste einer viel älteren sächsischen Burg, Historiker Hinweise auf spätere Raubritter, Hobbyforscher auch mal Silbermünzen aus dem Dreißigjährigen Krieg.

Am weitesten führt die Geologie in die Vergangenheit zurück: Die Harburger Berge stammen aus der Saale-Eiszeit vor 200.000 Jahren. Als die Gletscher abtauen, waschen riesige Schmelzwasserströme tiefe Täler aus den 50 Meter tiefen Sänden. Der Falkenberg mit seinem Kern aus Lehm hält den Fluten stand. Von seinem Gipfel tost jahrtausendelang ein Wildbach zu Tal. Noch im Mittelalter fahren auf dem Falkenbek Kähne zur Süderelbe. Heute ist das inzwischen kaum noch fußbreite Rinnsal amtlich zum "Straßenbegleitgraben" entwürdigt.

Auf moderne Gipfelstürmer wartet ein gewundener Weg durch einen Wald aus Eichen, Buchen, Haselnusssträuchern und Weißdorn. Das Gestrüpp lieferte einst das Flechtwerk für die Wälle einer altsächsischen Dynastenburg. Die Adelsherren schützten sich dort wohl schon im 8. Jahrhundert vor Franken, Wikingern und den bis nach Bremen plündernden Ungarn. Die Erbauer tragen den Gipfel ab und ebnen ein Plateau ein. Es ist mit 80 Metern Länge etwas kürzer als ein Fußballfeld. Forscher finden in den Resten dreier Häuser Feuerstellen, Scherben einheimischer Töpferware, aber auch rot bemaltes Importgeschirr aus dem Rheinland und die Knochen der Rinder, Schweine und Hühner, die darin kochten. Den kriegerischen Geist der Zeit bezeugen eine Lanzenspitze, zwei Äxte, drei Pfeilspitzen und die Glieder einer Stachelkette.

Es ist die Zeit der Hammaburg, Hamburgs Keimzelle an der Domstraße. Fünf Jahrhunderte später überfallen Raubritter vom Falkenberg Kaufleute auf der Straße nach Stade, oft zusammen mit Adelsgenossen von der Burg Heimbruch an der Este. Die Organisation läuft über Flaggensignale von Bergfried zu Bergfried. Die Buxtehuder Bürgerwehr nimmt die Verfolgung auf. Als sich die Flüchtenden im Busch verstecken, verrät sie das Angstgeschrei brütender Kiebitze. Die adeligen Strauchdiebe werden erschlagen, ihre Raubnester niedergebrannt. Eine kleine Grube auf dem Gipfel wird "Göd sin Kuhl" genannt, doch die Schriftnachrichten schweigen an dieser Stelle von Störtebeker & Co.

Umso mehr weiß die Legende, wohl schon früh durch Schatzfunde angeregt: Noch 1905 sichert der Lehrer Ferdinand Frohböse dort 16 Silbermünzen aus den Religionskriegsjahren 1623-1637. Er findet auch Reste von Wällen, Gräben, Flechtwerk und einem Turm. Der Hobby-Archäologe ist Mitglied der Gesellschaft der Freunde des vaterländischen Schulwesens zu Hamburg und wird 1920 erster Leiter der Landesbildstelle.

Seine Entdeckung gelingt in letzter Stunde, denn noch im gleichen Jahr baut der Gastwirt Adolf Ide seine "Burg Störtebeker" auf die kühne Kuppe, und der Falkenberg wird ein beliebtes Ausflugsziel.

1974 brennt die Gaststätte ab. 1978 kauft Hamburg den Hügel, und seitdem haben die Falken, Rehe und Hasen wieder Ruhe. Nur noch selten steigen Spaziergänger und Wanderer auf den Gipfel: Die großen Eichen lassen nur im Winter einen Blick über das Urstromtal der Elbe zu. Die spärlichen Mauerreste aber sind allesamt deutlich jüngeren Ursprungs und selbst in dieser Einsamkeit längst von Graffiti verschandelt.