Die schlechten Auftritte der Profis wurden zu lange schöngeredet. Jetzt muss in alle Köpfe: Qualität kommt von Qual

Den Duft der großen weiten Fußballwelt hat der HSV schon lange nicht mehr genießen dürfen. Der Begriff "International" ist in Hamburg zu einem Fremdwort verkümmert. In dieser Woche erleben die Spieler Südkorea. Nicht deshalb, weil die Profis wieder ein Stück mehr vom Globus kennenlernen sollen, sondern weil der HSV in Fernost für seine Marke wirbt.

Der asiatische Markt wird beackert, damit frisches Geld in die leere Vereinskasse fließt. Zur Vorbereitung auf die neue Bundesligasaison ist ein solcher Trip zwar nicht wirklich ideal, aber der HSV muss sich den ökonomischen Zwängen beugen. Champions League oder auch nur Europa League? Das ist derzeit nicht mehr als eine reine Utopie.

Zumal jetzt noch der Verlust des besten Sponsors und großzügigsten Mäzens droht. HSV-Fan und Milliardär Klaus-Michael Kühne hatte seinen Lieblingsklub, beziehungsweise dessen Führung, scharf attackiert und indirekt mit seinem Rückzug gedroht. Weil im Ringen um die erhoffte Rückkehr Rafael van der Vaarts aus seiner Sicht zu wenig unternommen worden ist.

Dies war vielleicht eine Erfahrung, die ein Mann wie Kühne höchst selten erlebt: Selbst mit viel Geld kann man nicht alles kaufen. Wenn der Mensch (van der Vaart) nun mal nicht will, helfen keine Millionen.

Wesentlich interessanter fand ich an Kühnes Pamphlet, mit dem er die Vereinsspitze zum Handeln aufforderte, eine Passage, die im Trubel um van der Vaart fast untergegangen ist. "In diesem Jahr wird es nicht noch einmal drei Mannschaften geben, die noch schlechter sind als wir", stand da. Und: "Denn wenn wir ehrlich sind, sind wir nur deshalb nicht abgestiegen. Verdient hätten wir es - leider. Was da gespielt wurde, ging auf keine Kuhhaut."

Volltreffer, Herr Kühne! Endlich einmal spricht eine große Persönlichkeit, die es gut mit dem HSV meint, ganz offen aus, was Tausende denken. Wie oft wurde den Fans in der vergangenen Saison ein mittelmäßiges Spiel noch als gut verkauft; eine Woche später war es dann sogar schon eine hervorragende Leistung.

Und grottenschlechte Auftritte des HSV wurden ohne Ende schöngeredet. "Das Potenzial ist da", hieß es beispielsweise oder "Wir haben genügend Substanz". Und so weiter. In Wahrheit war es genau so, wie Kühne es jetzt auf den Punkt gebracht hat: "Was da gespielt wurde, ging auf keine Kuhhaut."

Wobei noch die Frage zu klären wäre, ob der HSV tatsächlich besser war als die Absteiger Kaiserslautern, Köln und Hertha BSC. Ich glaube, er war nur etwas glücklicher. Aber in dieser Saison soll ja alles besser werden. "Wünsch dir was" in Hamburg. 30 000 HSV-Anhänger haben sich trotz dieses fußballerischen Gestocheres doch wieder ihre Dauerkarte gekauft. Ein einmaliges Vertrauen, das erst noch gerechtfertigt werden muss. Natürlich stirbt die Hoffnung zuletzt. Jetzt aber sind die Herren Profis, die Führung, der Sportchef und der Trainer gefragt. Sie alle müssen ihren Teil zum Comeback des einstigen Spitzenklubs HSV beitragen. Und zwar diesmal nicht mit hohlen Sprüchen, sondern mit Taten.

"Qualität kommt von Qual", hat Trainer Thorsten Fink mit Bezug auf die neue Spielzeit gesagt. Es klang wie ein Versprechen. Man hat offensichtlich begriffen, was auf dem Spiel steht. Zur Erinnerung: Die Fink-Truppe war in der vergangenen Saison mit nur 111,1 im Durchschnitt pro Spiel gelaufenen Kilometern Tabellenletzter! Von nichts kommt nichts. "Qualität kommt von Qual" - das muss jetzt in die Köpfe aller.

Wenn die erhofften großen personellen Verstärkungen ausbleiben, dann muss sich der Klassenerhalt eben auf dem Trainingsplatz hart erarbeitet werden. Es kann in dieser Beziehung mehr getan werden, nein, es muss viel mehr getan werden.

Nur mit dieser Einstellung würde der angeschlagene HSV endlich wieder einen ersten Schritt in die richtige Richtung tun. Dazu müssten allerdings alle Herren aufwachen, besonders die in der Klubführung.

Dieter Matz, Abendblatt-HSV-Experte und Blog-Vater ("Matz ab"), mit seiner aktuellen Freitags-Analyse