Unternehmer will “Medienwall“ an dem Hotel installieren und so für Hamburg werben. In anderen Stadtteilen seien große Plakate auch erlaubt.

Hamburg. Viele Hamburgerinnen und Hamburger trauten ihren Augen kaum. Als sie an jenem Morgen Ende April 1999 einen Blick auf das Hotel Radisson am Dammtor warfen, klaffte ein riesiges Loch in der Fassade des 118 Meter hohen Gebäudes. Es schien, als hätte ein Meteorit den Hotelbau durchbohrt. Flammen schienen am Einschlagsloch zu züngeln. Es fehlte nur der Rauch. Sonst wäre die Szenerie an Echtheit kaum zu überbieten gewesen.

Die "Lösung" entdeckten die Betrachter auf dem zweiten Blick. Unter dem riesigen Loch prangte der Schriftzug "Armageddon - Jetzt auch auf Video". Zum Videoverkaufsstart des US-amerikanischen Blockbusters "Armageddon" - in dem Streifen retten die US-Schauspieler Bruce Willis und Ben Affleck die Erde vor dem Einschlag eines gewaltigen Meteoriten - hatte die Verleihfirma Buena Vista an der Fassade des Hoteltowers ein Plakat angebracht.

Verantwortlich für die Aktion, die in Hamburgs Behörden seinerzeit für Verärgerung sorgte, war Guido Meyer. Heute kann Meyer, der - wie er es selbst beschreibt - "im Bereich der Stadtgestaltung" tätig ist, den Unmut der Beamten verstehen. "Ich habe das Projekt seinerzeit mit dem Radisson ohne Genehmigung der Stadt umgesetzt."

Das soll bei seinem neuen Projekt anders werden. Dabei will Meyer die Stadt mit ins Boot holen. Worum geht es? Meyer will am Radisson Blu, wie das Hotel heute heißt, eine Medienwall installieren. "Dabei handelt es sich um neueste LED-Technologie", erzählt der Unternehmer. Diese werde so unauffällig an der Gebäudefassade angebracht, dass der Betrachter glaube, die Fassade bestehe aus einem Bildschirm.

+++Wie viel Werbung verträgt der Hamburger Hafen?+++

Die Möglichkeiten, die sich durch eine derartige Medienwall ergeben, sind vielfältig. "Ich kann beispielsweise ein Aquarium am Gebäude entstehen lassen und so für Hagenbeck werben", erzählt Meyer. Mithilfe einer Klaviertastatur könnte auf die Elbphilharmonie verwiesen werden, zur China Time einen Drachen aus der Fassade kommen. "Es gibt 1000 und eine Möglichkeit, Hamburg als Weltstadt zu inszenieren", sagt Meyer und verweist auf Vorbilder in New York und Dortmund.

Natürlich, räumt Meyer ein, ließe sich die Medienwand, die 24 Meter breit und acht Meter hoch sein würde, auch für Werbung nutzen. Ein Teil der Einnahmen käme aber der Stadt zugute. In einem Brief an Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) schätzt Meyer, dass jährliche Einnahmen in Höhe bis zu 500 000 Euro möglich seien. Damit könnten Projekte an Schulen, für Jugendliche oder Familien unterstützt werden.

Das Radisson-Management, so schreibt Meyer, stehe seiner Idee positiv gegenüber. Eine Sprecherin der Hamburger Dependance bestätigt das und sagt, es gebe immer wieder derartige Ideen. Leider seien diese stets an fehlenden Genehmigungen gescheitert.

Das aber ist das Problem von Guido Meyer. Mit seiner Idee stößt er in Hamburgs Behörden auf taube Ohren. In einem Schreiben der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) wird auf eine von der Bauordnung vorgeschriebene Prüfung verwiesen. "Für das Radisson Blu wäre das Bezirksamt Hamburg-Mitte die zuständige Stelle."

Ein Hintertürchen zum Zuschlagen hat die Stadtentwicklungsbehörde sich allerdings offen gelassen. Bei einer "Werbeanlage" am Radisson Blu würde es sich "um ein für das Stadtbild bedeutsames Vorhaben" handeln, heißt es in dem Behördenschreiben weiter. Und da habe Oberbaudirektor Prof. Jörn Walter als Mitglied des sogenannten Lichtbeirats der Stadt ein Wort mitzureden. Ihm gegenüber habe die Stadtentwicklungsbehörde signalisiert, sie lehne eine derartige Medienwall ab, sagt Meyer.

Ähnlich ablehnend reagiert das Bezirksamt Mitte. Im Falle Radisson habe es nie einen offiziellen Antrag für eine Medienwall gegeben, heißt es. Allerdings sei das Thema informell besprochen worden und würde aus stadtgestalterischen Gründen nicht erlaubt werden. Man plädiere dafür, Lichtwerbung "zurückhaltend zu handhaben und auf den Kiez zu konzentrieren", sagt Bezirkssprecherin Sorina Weiland.

Im Bezirksamt Nord wird der Umgang mit LED-Walls etwas differenzierter betrachtet. Grundsätzlich begrüße man derartige Medienwalls, soweit diese sich städtebaulich einfügten, erklärt der Sprecher des Amts, Peter Hansen. Allerdings würden in der näheren Umgebung geschützter Gebäude Leuchtwände nicht genehmigt.

Zudem sei zu berücksichtigen, dass LED-Walls als "Wechsellicht-Anlagen" eingestuft würden. Dafür gebe es die sogenannte Wechsellicht-Verordnung, die den Betrieb von Licht-Anlagen regele. Demnach seien LED-Walls in der Innenstadt - mit Ausnahme der Spitalerstraße und des Steindamms - rund um die Außenalster und dem Hafenrand nicht zulässig, sagt Hansen.

Guido Meyer hofft derweil auf Unterstützung aus Hamburgs Wirtschaft. Die Hamburg Marketing GmbH hält die Idee, an ausgewählten Standorten eine Medienwall zu installieren, für positiv. "Die technischen Möglichkeiten einer LED-Wall bieten neue Wege, um dem Betrachter Botschaften zu übermitteln und die Identifikation mit unserer Stadt zu erhöhen", sagt Sascha Albertsen, Sprecher des Unternehmens.

Die Marketingexperten loben vor allem die Möglichkeit, die Betrachter einbinden zu können. So könnten Besucher Hamburgs mittels einer Medienwall über das Internet Videogrüße an ihre Familien versenden. Für die Stadt würde die Möglichkeit geschaffen, Live-Bilder von aktuellen Ereignissen wie Triathlon, Hafengeburtstag oder Marathon auf der Medienwall zu verbreiten. Zugleich machte Albertsen aber deutlich, dass "die hohe Lebens- und Aufenthaltsqualität unserer Stadt" nicht beeinträchtigt werden dürfte.

Auch der Grundeigentümerverband Hamburg hat grundsätzlich nichts gegen eine Medienwall an Häuserfassaden. "Wichtig ist, dass das mit Augenmaß geschieht", sagt Verbandschef Heinrich Stüven. Wenig Verständnis hat er für die restriktive Haltung der Ämter, wenn es um die Genehmigung außerhalb des Kiezes geht. "Große Plakate an Häuserwänden sind in anderen Stadtteilen ja auch erlaubt."

Was Ausnahmen von der Regel, Lichtreklame sei lediglich auf dem Kiez erlaubt, angeht, so verweist Meyer auf das Einkaufszentrum an der Hamburger Straße. Seit einiger Zeit ist dort die Rotunde mit einer Medienwall bestückt, auf der Werbung läuft. Diese Anlage sei "in einem ausgewiesenen Kerngebiet aufgebaut" worden, "wo ausdrücklich eine gewerbliche Nutzung vorgesehen ist und keine gravierende Beeinträchtigung im unmittelbaren Umfeld festgestellt wurde", sagt Bezirkssprecher Hansen. Zudem handele es sich bei dieser LED-Wall um eine "befristete Erprobung". Für Meyer klingt das nach Ausrede. Für ihn ist die Angelegenheit einfach: "Wenn das dort geht, warum dann nicht am Radisson?"

Wie die Medienwall in New York funktioniert: www.abendblatt.de/medienwall