Zuerst wollte er Sportler werden, dann in Südafrika predigen. Die Liebe zog ihn nach Blankenese. Dort arbeitet der Geistliche seit 20 Jahren.

Hamburg. Der rote Faden zieht sich durch die Stadt: Er verbindet Menschen, die einander schätzen, bewundern, überraschend finden. Sie entscheiden, an wen sie ihn weiterreichen: an andere, die hier arbeiten, die Besonderes für diese Stadt leisten, die in Hamburg als Vorbilder gelten. Folge 50: Pastor Klaus-Georg Poehls. Er bekam den roten Faden von Herbert Schalthoff.

Es hätte auch die Dorfschmiede werden können. Oder das Wasserwerk. Das Rennen machte jedoch das Haus Gottes. Klaus-Georg Poehls fand hier seinen Platz fürs Leben. "Obwohl ich mir während der ersten Semester meines Studiums überhaupt nicht sicher war, ob ich das Richtige studiere", sagt der Theologe der Evangelischen Kirchengemeinde Blankenese. Ehrlichkeit und Offenheit, wie aus dieser Erklärung lesbar, prägen seine Sätze. "Es ist ein tolles Studium, auch für einen selbst. Ich mochte einfach die Inhalte gern, es ging in alle Richtungen, ich lernte viel über Philosophie, Kunst, Soziologie und natürlich auch Seelsorge", erinnert sich der 50-Jährige. Sein Bücherregal im historischen Pastorat am Mühlenberger Weg zeugt davon, dass der Familienvater im dunklen Anzug mit schwarzem Kollarhemd und dem darin eingefügten typischen weißen Stehkragen auch heute noch viel und gerne liest. Fachliteratur. Klassiker und Neuauflagen: "Die Bibel", "Die Bibel für Kinder", "Dat Niee Testament" ebenso wie "Die Volxbibel", "Der junior Chef - Das Neue Testament" oder "Und Gott chillte".

Seit 20 Jahren arbeitet er nun in Blankenese, teilt sich mit den beiden anderen Pastoren Helmut Plank und Thomas Warnke die Arbeit in der Gemeinde im Hamburger Westen. Genießt das Leben und die Arbeit im "Dorf nahe der Großstadt". Auch das, sein Wirken in Deutschland, war nicht von Beginn an geplant. Vielmehr zog es den norddeutschen Jung ins Ausland. Und damit meine er nicht München. Oder Neuendettelsau. Dort, im Landkreis Ansbach, besuchte er nur die ersten vier Semester die theologische Hochschule. Bewusst wählte Poehls für den Beginn eine "kleine, überschaubare Einheit", zog Süddeutschland anderen Unis wie Berlin vor. "Außerdem waren die Bierpreise extrem niedrig im Frankenland", fügt er hinzu.

Wie es damit in Südafrika aussah, dem Land, das er später besuchen sollte, wusste er damals nicht. Und er sollte sehr viel mehr über Land und Leute herausfinden. Später.

Denn zuvor wurde studiert. Ein wenig war die Wahl des ländlichen Studienorts auch seiner Herkunft geschuldet: Poehls wuchs in Sandesneben auf, einer dörflichen Gemeinde im Kreis Herzogtum Lauenburg. Bis er 18 Jahre alt war, lebte er dort mit seinen Eltern und den beiden Schwestern. Poehls, als Mittlerer das "Sandwichkind", genoss die ländliche Idylle. Der Vater war der Dorfschmied, zu ihm kamen die Bauern, deren Pferde beschlagen und Pflüge ausgebessert werden sollten. "Mitte der 70er-Jahre wurde dann die Wasserversorgung ausgebaut, und mein Vater wurde Wassermeister im Wasserwerk", erzählte er. Gepaart mit dem Schulbesuch in Lübeck, konnte er beide Welten kennenlernen. "Ich bin jeden Tag mit dem Bus nach Lübeck gefahren, bis zum Abitur", sagt er.

Poehls beschreibt sich als sportlichen Jungen und Jugendlichen, seine Disziplinen waren Handball, Leichtathletik und Rudern. Die Stimme des Pastors hat etwas Wehmütiges, wenn er davon spricht. Gedankenverloren streicht er sich über den Kopf. "Ich wollte eigentlich Sport studieren", sagt er, "doch mit 15 Jahren wurde bei mir Diabetes diagnostiziert, und mein Arzt riet mir von meinen Berufsplänen ab." Auch heute würde Poehls liebend gern sportlich aktiver sein, doch spazieren gehen ist aktuell das Einzige, was sein Körper zulässt. Dabei wirkt er so agil. Rosige Backen, eine starke Statur, ein warmes Lächeln. Als ob die Krankheit hinter seiner Pastorenkleidung verborgen bleiben sollte. "Leider. Leider bin ich durchaus mit meinen Kräften begrenzt", sagt er.

Dennoch ist Poehls ein positiver Typ, der eine Überzeugung gefunden hat und sie leben kann. Seinen beruflichen Weg schlug er ein, weil ihn schon damals - wie heute - geistige Offenheit kennzeichnete. "Ich hatte einen Glauben und wollte einfach mehr darüber herausfinden", sagt er, "wie alle Heranwachsenden war ich in Abiturzeiten in einer Findungsphase, man liest Hermann Hesse und so." Er lächelt. Und die Eltern? Unterstützten sie den Sohn? "Sie standen immer hinter mir. Schließlich musste mein Vater früh erkennen, dass er keinen handwerklich begabten Sohn hat. Er wusste, dass ich in eine andere Richtung schlage."

Den zweiten Teil seines Studiums verbrachte Poehls in München, "nebenbei erkundeten wir die Biergärten, und da meine Wohnung keine Dusche hatte, duschte ich nebenan im Olympiazentrum und machte ein wenig Sport", sagt Poehls. Klingt irgendwie so gar nicht nach theologischer Lehre. "Doch, da halte ich Martin Luther für ein gutes Vorbild", meint Poehls, "er hatte Humor und hat das Leben genossen. Der Glaube schließt das ja nicht aus."

Und so ist auch Pastor Poehls kein Geistlicher, der sich dogmatisch an Bibelsprüchen entlanghangelt. Poehls packt an, würde vielleicht gern noch mehr tun, als er kann.

Seinen großen Traum, das Leben in einer Gemeinde im Ausland, konnte er sich 1988 erfüllen. Poehls war Mitte 20 und hatte gerade sein erstes Theologisches Examen abgelegt. In Hamburg übrigens, denn es zog ihn doch wieder zurück in den norddeutschen Raum. Nun wollte er reisen, sein Ziel war eine deutsche Gemeinde in Bloemfontein in Südafrika. "Hier habe ich das erste Mal in einer Gemeinde gelebt und das kirchliche Leben kennengelernt", sagt er. "Es war sehr aufregend und natürlich komplett anders als in Deutschland, denn es herrschte noch Apartheid." Doch genau diese Spannung, der schwelende Konflikt, war es, was den jungen Geistlichen anzog. "Mich interessierte die Befreiungstheologie, wie hängen Frömmigkeit und politisches Engagement zusammen und der eigene Glaube?" Diesen Denkanschub bekam er schon früh während seiner Ausbildung, eine Begegnung mit dem mittlerweile verstorbenen Altbischof Kurt Scharf, dem Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland. "Ein beeindruckender Mann, der in seiner Haltung sehr eindeutig war, besonders durch seinen Widerstand gegen Hitler."

Poehls lernte in Südafrika jedoch auch sein Handwerkszeug, hier predigte er das erste Mal, auf Deutsch und Englisch. "Das war sehr aufregend", sagt er und schmunzelt leicht, "ich bin immer noch vor jedem Gottesdienst nervös." Wird man nicht routiniert? "Für mich geht es beim Predigen um viel, weil ich versuche, diesem großen christlichen Glauben nicht im Wege zu stehen. Ich spüre anhaltend eine große Verantwortung", erklärt er ruhig.

Im Ausland merkte er auch, wie viel Freude ihm die Arbeit mit Jugendlichen macht, dass ihm viel daran liegt, den interreligiösen Dialog zu fördern und andere Religionen kennenzulernen. Deshalb engagiert er sich heute zusätzlich zu seiner Arbeit in Blankenese als Referent der Stiftung Weltethos. Für die weltweite Organisation, die den Austausch zwischen den Religionen fördert und sich für mehr Verständnis einsetzt, hält er regelmäßig Vorträge an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg.

Ein wenig holt er sich so seine Liebe zu fremden Kulturen in die Heimat, denn auch wenn er sich hatte vorstellen können, für einen längeren Zeitraum als sechs Monate in Südafrika zu leben, sollte es anders kommen: Er kehrte zurück, absolvierte sein Vikariat und zweites Examen in Preetz. Dann schaltete sich das Schicksal ein: Er verliebte sich in seine jetzige Ehefrau Lucia von Treuenfels, die ebenfalls Pastorin war und heute in der Christuskirchengemeinde Wedel-Schulau arbeitet. "In Blankenese wurden damals Pastoren gesucht, und wir hatten beide eine Stelle dort bekommen", sagt er. Eigentlich befristet auf sechs Monate. "Doch daraus wurden 20 Jahre." Blankenese wurde zur Heimat, 1993 heiratete das Paar, die beiden Kinder - Sohn Georg ist heute 18 Jahre alt, Tochter Charlotte wird bald 16.

Das Ausland rückte in den Hintergrund, jedoch nicht komplett. Denn Klaus-Georg Poehls engagiert sich stark in der Flüchtlingsarbeit und hat ein Vorzeigeprojekt erschaffen: Alle zwei Jahre besucht er mit Jugendlichen aus der Gemeinde fünf abgelegene Patendörfer in Tansania, hier leben Aids-Waisen, die betreut werden. In größter Armut. Poehls schafft es in monatelanger Vorbereitung, dass die zumeist begüterten Blankeneser Jugendlichen sich mit Feuereifer für das Projekt engagieren. Viele reisen nach dem Besuch oft noch einmal alleine in die Dörfer. "Sie lernen da die andere Seite vom Leben kennen", sagt der Pastor schlicht. Kommen ohne sanitären Komfort aus, transportieren selbst 20-Liter-Eimer mit Wasser auf dem Kopf und lernen die grenzenlose Freude und Herzlichkeit der Dorfbewohner kennen.

Für Poehls schließt sich dort ein Kreis: Er kann sein Fernweh mit Jugendarbeit und christlicher Überzeugung verbinden. Von Blankenese aus strahlt dieser Pastor weit. Hinaus in die Welt.

Klaus-Georg Poehls reicht den Faden nächste Woche an Jochim Westphalen weiter. Er schätzt den Kapitän und Seebären, "weil er eindrucksvoll die Blankeneser Schifffahrtstradition wachhält".