Findet der gottesfürchtige Schriftsteller Mosebach in Putin einen neuen Glaubens-Schirmherrn?

Vor Kurzem hat der kultivierte, belesene und sprachgewandte Romancier Martin Mosebach einen Essay "Vom Wert des Verbietens" veröffentlicht, in dem er sich nach Zeiten zurücksehnt, in denen es noch ein staatlich sanktioniertes Risiko war, durch blasphemische Attacken den Staat und die Gesellschaft, die er in Gottes Namen schützt, herauszufordern. Mosebach beklagt die indifferente gegenwärtige Gesellschaft, die sich durch Attacken auf religiöse Werte nicht mehr zu Unruhe und Widerspruch herausgefordert sieht. Denn nur dadurch, so weiß auch Mosebach, wäre der Staat zensierend, ja auch strafend auf den Plan zu rufen.

Mit einer gewissen Sympathie hat Mosebach beobachtet, dass die Muslime ihre Religion, wird sie ihrer Meinung nach angegriffen, tatkräftig verteidigen, gern auch mit Feuer und Schwert, Terror und Bombendrohung. Mosebach findet, auf diese Weise sei "plötzlich wieder Musik in die Sache gekommen". Und er könne nicht verhehlen, dass er unfähig sei, sich zu empören, "wenn in ihrem Glauben beleidigte Muslime blasphemischen Künstlern - wenn wir sie einmal so nennen wollen - einen gewaltigen Schrecken einjagen".

Wollen wir es wirklich so nennen? Wenn Salman Rushdie durch die Fatwa für seine "Satanischen Verse" aus seinem Leben durch Mord- und Folterdrohungen verjagt worden ist? Und ist wirklich "Musik in die Sache gekommen", wenn ein dänischer Karikaturist von da an sozusagen lebenslänglich in Angst und Terror leben muss?

Nun wird Mosebach einen weiteren gottesfürchtigen Musikmacher mit Sympathie begleiten können: Es ist kein Geringerer als der russische Präsident Putin. Der hat nämlich die Justiz durch ein neues Disziplinierungsgesetz gegen jegliche Blasphemie bestärkt, Anklage gegen die russische Frauen-Punkband Pussy Riot zu erheben. Die Frauen hatten vor Putins Präsidentenwahl in der Moskauer Christi-Erlöser-Kathedrale in einem Punkgebet gesungen: "Gottesmutter, gesegnete Jungfrau, vertreibe Putin!" Jetzt sollen sie, auf Wunsch der orthodoxen Kirche, vor Gericht. Putins neue Gesetze und willige Richter bedrohen sie mit sieben Jahren Haft.