Meteorologe: Schuld an unserer Unzufriedenheit ist das schöne Wetter bei der WM 2006

Hamburg. Viele Wolken, Schauer, bis 18 Grad. Oder auch mal 22. Zwischendurch ein wenig Sonne, aber abends ziehen neue Regenwolken auf. So oder so ähnlich geht der Wetterbericht seit Wochen - Sommer in Norddeutschland. Sommer?

Viele Hamburger reagieren zunehmend genervt beim Blick zum Himmel, und auch an Nord- und Ostsee beginnen Touristen an der Wahl ihrer Urlaubsregion zu zweifeln. "Die Stimmung der Gäste sinkt", sagt Silvia Peters vom Strandhotel in St. Peter-Ording: "Einige reisen ein, zwei Tage früher ab, manche Besitzer von Ferienwohnungen kommen gar nicht erst her."

Der Sommer 2012 - ein Totalausfall? Meteorologen sehen es anders. Für sie ist alles ein großes Missverständnis. Denn unsere Vorstellung von einem Sommer, wie er sein soll, ist vor allem von einem Ereignis geprägt: der Fußball-WM 2006 im eigenen Land.

Damals gab es einen heißen Juni und einen noch heißeren Juli mit durchschnittlich 22,3 Grad und insgesamt 755 Sonnenstunden. Der Sommer 2006, sagt Alexander Hübener, Leiter des Hamburger Instituts für Wetter- und Klimakommunikation, habe einen "abwegigen Anspruch" an die Jahreszeit wachsen lassen. "Hängen blieb ja nur das hervorragende WM-Wetter." Viele hätten gedacht, es gehe ewig so weiter. "Die Tourismuswirtschaft frohlockte schon, Sommer im Norden sei garantiert so schön wie Ferien in Südeuropa", sagt Hübener. Doch das blieb ein Sommer-Märchen. Aus wetterpsychologischer Sicht sei der Sommer 2006 hauptverantwortlich dafür, dass der Sommer 2012 so hart kritisiert wird.

Aber dennoch: Ganz normal ist das derzeitige Wetter auch für den Norden nicht. Im langjährigen Mittel verzeichnet der Hamburger Sommer 16,3 Grad, 640 Sonnenstunden und 225 Liter Regen. Gemessen an diesen Werten war der Juni mit 14,6 Grad, 148 Sonnenstunden und 77 Liter Regen tatsächlich ein Ausreißer nach unten. Und im Juli sieht es nicht besser aus. Viel Westwind, viele Tiefs über dem Atlantik - mehr als durchschnittlich wird der Monat nicht werden. "Die Chancen einer Omega-Wetterlage, also eines stabilen Hochs über Norddeutschland, sind im Juli gering", sagt Hübener.

Dabei sind die Temperaturen nicht das Problem. Laut Statistik war jeder Hamburger Sommer seit zehn Jahren zu warm. Zum Vergleich: Zwischen 1982 und 1992 gab es gleich drei Sommer, die zu kalt waren, wobei 1987 auch noch zu nass und zu sonnenarm war.

Doch das kann 2012 nur wenig trösten. "Was fehlt, sind viele schöne Phasen am Stück", sagt Hübener. Diese seien wichtig, um einen Sommer grundsätzlich als positiv wahrzunehmen. Hinzu kommt, dass das Wetter heute eine wichtigere Rolle als früher spielt. Auch Hamburger haben - fast wie Südeuropäer - längst viele Lebensbereiche nach draußen verlagert: Die meisten Restaurants bieten Straßentische an, es gibt immer mehr Beach-Klubs und Open-Air-Festivals. Schönes Wetter wird da als normal erwartet - einzelne prächtige Tage, die es auch in den vergangenen Monaten gab, würden nicht mehr so wertgeschätzt wie noch in vergangenen Jahrzehnten, sagt Hübener.

Aber vielleicht entschädigt ja ein heißer August für die kühlen Tage in der ersten Sommerhälfte. Es wäre Zeit: Der letzte Tag mit mehr als 30 Grad liegt in Hamburg schon fast zwei Jahre zurück. Es war der 22. Juli 2010.